Karlsruher Gespräche 2017

Pluralismus in der Stadtgesellschaft: Illusionen, Realitäten, Konflikte

 

Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba

Referent

© Mathias Heyde
Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba ist Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) sowie Mitglied der Deutschen UNCESCO-Kommission und ihres Expertenkomitees „Immaterielles Kulturerbe“. 1994-2015 war er Professor für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und geschäftsführender Direktor des Instituts für Europäische Ethnologie; 2011-2013 fungierte er als geschäftsführender Direktor des Georg-Simmel-Zentrums für Metropolenforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des europäischen Nationalstaats, ethnische Identitäten und Geschichtspolitik, aber auch globale Entwicklungen in Metropolen, Mobilität und Migrationsbewegungen der Gegenwart. Er ist Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Gremien von Fachzeitschriften wie „Geschichte und Gesellschaft“ in Deutschland, „L’Homme“ in Frankreich oder „Folklore Studies“ in China. Er veröffentlichte unter anderem Die Überwindung der Distanz. Zeit und Raum in der Europäischen Moderne (2004), Urban Spaces after Socialism. Ethnographies of Public Spaces in Eurasian Cities (2011) und Einführung in die Europäische Ethnologie (Hg., 2012).

 

Statements


1. Welche „Feinde“ stellen Ihrer Ansicht nach die größte Gefahr für die pluralistische Gesellschaft dar?

Ohne das breite Spektrum der organisierten und ‚aktivistischen‘ Feinde von den Islamisten bis zu den Rechtspopulisten im Einzelnen aufzuführen: all jene, die nicht bereit sind, über die unterschiedlichen eigenen gesellschaftlichen Erfahrungen und Bedürfnisse wie die der Anderen zu verhandeln; die also in Einfalt und Differenz statt in Vielfalt und Offenheit leben wollen.
 

2. Wie kann Ihrer Meinung nach das Vertrauen in Eliten und die Medien wieder gestärkt werden, nachdem sich seit Längerem ein Vertrauensschwund beobachten lässt?

Vertrauen lässt sich nur wiederherstellen, wenn die politische und wirtschaftliche Elite sich selbst einem gesellschaftlichen Ethos verpflichtet sieht, der Gemeinsinn statt Eigennutz, Öffnung statt Abschottung und Investition statt Spekulation einfordert – wir sprechen also offenbar von einer Utopie...
 

3. Auf welche Weise kann das Bewusstsein für die Vorteile von Freiheit sowie deren Wertschätzung innerhalb pluralistischer Gesellschaften gesteigert werden – besonders für Menschen, denen Erfahrungen mit Unfreiheit fehlen?

Dass uns die Bedeutung gesellschaftlicher Freiheit aktuell wieder sehr viel bewusster werden wird, dafür sorgen schon PEGIDA, Trump und Erdoğan. Deshalb gilt da wieder der gute alte Goethe: „Reisen bildet!“ Jedenfalls die, die es nach Dresden, Washington oder Istanbul schaffen.