Europäische Kulturtage 2014

 

Alexander Kitterer

Vergessene Kriege – Verdrängte Kriege:
Zur öffentlichen Wahrnehmung globaler Konflikte

Curriculum Vitae

Alexander Julian Kitterer wurde 1984 geboren und engagiert sich momentan als freier Blogger. Schon während seines Studiums der Politik-, Islam- und Kommunikationswissenschaft sowie der Arabistik sammelte er durch verschiedene Praktika im Bereich Politikarbeit und Journalismus einschlägige Berufserfahrung.

So arbeitete er zuletzt bei United Nations High Commissioner for Refugees. Hier war er in der Berliner Vertretung des UN-Flüchtlingskommissars tätig. Sein Fokus lag auch hier auf der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Von Januar 2007 bis März 2010 war er freier Mitarbeiter bei der Stuttgarter Zeitung – Redaktion Blick vom Fernsehturm, davon arbeitete er insgesamt fünf Monate als fester Redaktionszugehöriger in Vollzeit.

Kitterer spricht fünf Sprachen: Deutsch, Arabisch, Englisch, Französisch und Hebräisch und hat sich bereits an vielen ehrenamtlichen Projekten beteiligt.


Abstract

Vergessene Kriege - Verdrängte Kriege:  Zur öffentliche Wahrnehmung globaler Konflikte

 

Der Vortrag beschäftigt sich mit vernachlässigten Kriegen und Konflikten und geht u.a. der Frage nach, inwiefern diese vergessen oder verdrängt werden, wie sich solche Reaktionsmuster in der öffentlichen Wahrnehmung überlagern können und welche Auswirkungen dies für die Opfer globaler Konflikte und uns als Gesellschaft hat.

„Täglich mindestens einmal öffnet das Welttheater seinen Vorhang, und der Abonnent des Zeitungsblatts erblickt Mord und Gewalttat, Krieg und Diplomatenränke […] ; an einem Morgen während des Frühkaffees mehr Seltsamkeiten, als seinem Ahnherrn während eines Menschenlebens beschieden waren. […] Das Beängstigende der Bilderflucht ist Ihre Geschwindigkeit und Zusammenhanglosigkeit. Bergleute sind verschüttet: flüchtige Rührung. Ein Kind mißhandelt: kurze Entrüstung. Das Luftschiff kommt: ein Moment der Aufmerksamkeit. Am Nachmittag ist alles vergessen, damit Raum und Gehirn geschaffen werde für Bestellungen, Anfragen, Übersichten. Für die Erwägung, das Erinnern, das Nachklingen bleibt keine Zeit.“

Diese Zeilen stammen aus dem Jahr 1912, geschrieben hat sie Walther Rathenau, Schriftsteller, Industrieller und ehemaliger Reichsaußenminister in seinem Buch „Zur Kritik der Zeit“. Sie thematisieren eine zunehmende Verunsicherung angesichts technologischer und kultureller Umwälzungen zur Jahrhundertwende, die sich in allen Lebensbereichen bemerkbar machten. Entferntes schien plötzlich ganz nahe, Unbekanntes wurde scheinbar zugänglich. Doch schon vor mehr als 100 Jahren zeigte sich, dass der Mensch keine grenzenlosen Fähigkeiten zur Rezeption und Einordnung äußerer Umwelteinflüsse besitzt.

Im digitalen Zeitalter wirken die Beispiele Rathenaus ein wenig angestaubt, der Kern seiner Feststellungen gilt jedoch umso mehr. Ständig aktualisierte Inhalte in Massenmedien und sozialen Netzwerken ermöglichen zu jedem Zeitpunkt den Zugang zu kaum begrenzter Information. Nahezu jedes Ereignis hinterlässt eine digitale Spur, dennoch wäre es kaum Jemanden möglich auch nur annähernd eine Übersicht über laufende globale Kriege und Konflikte zu geben. Konflikte stellen eine äußerst komplexe und zwiespältige Ereignisform dar. Die Vielfalt und Asymmetrie von Akteuren und Interessen und die Ereignisdichte überfordern schnell jeden Beobachter. Intransparenz und Geheimhaltung, wie beispielsweise beim Einsatz von Drohnen, fördern diese Tendenzen. Wenn Medien Ereignisse dann dementsprechend bearbeiten, werden Kriege einfach “vergessen“. Mit dem Vergessen geht zudem oftmals ein “Verdrängen“ einher. Ob bewusster Umgang oder unbewusstes Ausblenden, als Ergebnis bleibt, dass die meisten Kriege und Konflikte öffentlich kaum wahrgenommen und in der Konsequenz politisch unzureichend bearbeitet werden. Ausgehend von einigen Anmerkungen zu Begrifflichkeiten und Quellen der Konfliktanalyse sollen in dem Vortrag die oben skizzierten Fragestellungen ein wenig näher beleuchtet und anhand einiger aktueller Beispiele illustriert werden.