Karlsruher Gespräche 2014

Schöne neue Welt? Arbeitsbedingungen in Bangladeschs Textilindustrie

Taslima Akhter

Referentin

Taslima Akhter

Taslima Akhter wurde 1974 in Dhaka, Bangladesch, geboren. Sie engagiert sich als Aktivistin bei Frauen- und Arbeitnehmerorganisationen und arbeitet als Koordinatorin für ‚Bangladesh Garment Sromik Songhoti‘ (Solidaritätsvereinigung für Bekleidungsarbeiter in Bangladesch). Während ihrer Studienzeit engagierte Akhter sich in der Studentenpolitik und wurde zur Präsidentin des linksgerichteten Studentenverbands Bangladesh Students’ Federation. Sie schrieb zahlreiche Artikel zu Frauen- und Arbeitnehmerthemen und übersetzte die Werke von Alexandra Kollontai.

Derzeit arbeitet Akhter als Dozentin für Fotografie am Pathshala South Asian Media Institute. 2013 erhielt sie bei der 5. Internationalen Fotografieausstellung in Dali, China, den Preis für den besten Fotografen. Sie absolvierte 2012 ein vierwöchiges Praktikum bei Magnum Photos in Großbritannien. 2013 wurden Akhters Arbeiten über das Leben und den Kampf der Bekleidungsarbeiter in China und den USA ausgestellt und 2012 organisierte Courage in Deutschland eine Ausstellung ihrer Arbeiten über Bekleidungsarbeiter. Akhter nahm 2011 im Rahmen eines Stipendiums der Magnum Foundation am Programm über Menschenrechte und Fotografie der Tisch School of the Arts der Universität New York teil. 2010 gewann sie den dritten Platz in der Kategorie Dokumentarfotografie des Julia Margaret Cameron Awards für ihre Arbeit ,The Life and Struggle of Garment Workers‘ (Leben und Kampf der Bekleidungsarbeiter).

Akhter erwarb einen Master-Abschluss in Philosophie an der Universität Dhaka, dem ein Abschluss in Fotojournalismus am Pathshala South Asian Media Institute folgte. Sie betrachtet die Fotografie als Teil ihres Aktivismus und hat für ihre Arbeit bewusst die Themen des Arbeiterkampfes, der Geschlechter-, Umwelt- und Kulturproblematik und der sozialen Diskriminierung gewählt.

 

Das ZAK bat Taslima Akhter folgende Fragen zu beantworten:

 

1. Befördert oder behindert die Weltmarktgesellschaft die Erreichung globaler humanitärer Lebensverhältnisse?

Nach allgemeiner Auffassung verschafft die Weltmarktgesellschaft einem Großteil der Weltbevölkerung Zugang zum Markt, erzeugt eine gewisse Kaufkraft, schafft Arbeitsplätze und fördert eine Reihe globaler Werte – all dies kann, zusammengenommen, zu einer Verbesserung der Lebensumstände der Menschen beitragen. Doch die Dinge sind nicht so einfach, wie sie scheinen. Bei näherer Betrachtung offenbart sich eine ganz andere Realität. Ein hohes Maß an Ungleichheit liegt in der inhärenten Logik einer funktionierenden Weltmarktgesellschaft begründet. Deshalb wird diese oft dafür kritisiert, auf Kosten der lokalen Wirtschaftssysteme dem Wachstumsprinzip zu folgen. Der tatsächliche Beitrag der Weltmarktgesellschaft zur Verbesserung der globalen humanitären Lebensbedingungen ist daher fragwürdig. Unsere Erfahrungen im Bekleidungssektor in Bangladesch, die auch von den jüngsten Vorfällen geprägt wurden, zweifeln die Vorstellung einer positiven Beziehung zwischen diesen beiden Seiten an und werfen Fragen über die Folgen auf.

 

2. Wie viel Privatheit bleibt uns zwischen staatlicher Überwachung und kommerzieller Profilerstellung und was ist sie uns wert?

Ich denke, dass die Privatsphäre des Einzelnen in der heutigen Welt mit jedem Tag schrumpft. Daraus ergeben sich zwangsläufig bedeutende Konsequenzen für die menschliche Freiheit. Als Bürger hören wir immer von den Sicherheitsbedenken des Staates. Wir opfern unsere individuelle Freiheit. Doch ich kann nicht erkennen, wie dadurch das Leben der größeren Masse der Welt sicherer werden kann. Wenn wir das Wort ,Sicherheit‘ hören, ist die implizite Bedeutung vielleicht die Sicherheit der wenigen Superreichen auf der Welt auf Kosten der Freiheit der Allgemeinheit.

 

3. Führt die Weltmarktgesellschaft zu neuen Formen des Menschenhandels oder kann sie eine Chance für die Durchsetzung internationaler Standards für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse sein?

Die Marktgesellschaft kann aus eigener Kraft heraus keine angemessenen Arbeitsbedingungen garantieren. Sie hängen von mehreren Faktoren ab, z.B. dem Bewusstsein und dem Handeln der Weltbevölkerung in Bezug auf dieses Problem, den bewussten Bemühungen von Gewerkschaften und anderen Organisation im Bereich soziale Gerechtigkeit, dem Kampf der Arbeiterbewegungen für ihr Recht auf Sicherheit usw. Wenn diese Faktoren nicht gegeben sind, kann die globale Nachfrage nach billigen Arbeitskräften zu neuen Formen des Menschenhandels führen. Sind die Bedingungen allerdings günstig für das Anliegen der arbeitenden Menschen, kann das Gegenteil eintreten.