Karlsruher Gespräche 2016

Podiumsdiskussion: Europa: Eine gefährdete Solidargemeinschaft?

 

Lisa Bjurwald

Referentin

© Medievärlden 2015

 

Lisa Bjurwald, geboren 1978, studierte Politikwissenschaft an den Universitäten Stockholm und Uppsala und der Swedish Defence University. Sie arbeitete bei verschiedenen schwedischen Zeitungen und war von 2006 bis 2011 Mitglied des Redaktionsteams des Magazins Expo, das damals von Stieg Larsson herausgegeben wurde und das Ziel verfolgt, über rassistische, nationalistische und rechtsextreme Bewegungen aufzuklären. Von 2011 bis 2012 wurde Bjurwald von der schwedischen Regierung als Expertin in eine Kommission zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit berufen.

Heute schreibt sie für eine Reihe schwedischer Zeitungen und Magazine. Außerdem ist sie als Kolumnistin beim norwegischen internationalen Nachrichtenmagazin Ny Tid und als freie Autorin zum Thema politischer Extremismus tätig. 2010 wurde sie für eine Reportage über den Schweizer Minarettstreit mit dem Journalistenpreis des Europäischen Parlaments ausgezeichnet, 2009 erhielt sie das Milena Jesenská-Stipendium für Journalisten am ‚Institut für die Wissenschaften vom Menschen‘ in Wien.

Zu ihren Buchveröffentlichungen zählen Scrivbordskrigarna (Keyboard Warriors, 2013), eine mit dem Buchpreis des Order of the Teaspoon ausgezeichnete Studie zu rechtsextremen Online-Aktivitäten, und Europas skam. Rasister på frammarsch (Europas Schande. Rechtsextremismus auf dem Vormarsch, 2012), das in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

 

Statements

 

1. Welche Werte halten für Sie die Europäische Union zusammen? Wie kann eine gemeinschaftliche europäische Identität zukünftig besser vermittelt werden?

Viele der bei Gründung der EU noch existierenden Werte sind verschwunden. Was bleibt, sind ein Gemeinschaftsgefühl, das nationale Unterschiede achtet, und eine gemeinsame, wenn auch mitunter schwierige Geschichte. Eine gemeinsame Identität scheint immer unwahrscheinlicher, zumindest was die kommenden 20 bis 30 Jahre betrifft.

 

2. Sind andere Modelle – wie etwa ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder eine Europäische Föderation der Regionen – vorstellbar?

Ja.

 

3. Halten Sie die derzeitigen nationalistischen Bestrebungen für ein sich aus den Krisen ergebendes kurzfristiges Phänomen oder für den Beginn einer langfristigen Entwicklung?

Diese Entwicklung gibt es seit den 1990er-Jahren; also ist es bereits eine langfristige Entwicklung, die nichts mit den jüngsten Krisen zu tun hat. Momentan ist die extreme Rechte viel zu schlau und geht viel zu professionell vor, als dass wir anderen sie aufhalten könnten. Europa hatte seine Gelegenheiten, den Lauf der Geschichte zu ändern, ist aber zu spät aufgewacht.