8. Karlsruher Gespräche: Der vernetzte Egoist

Single-Gesellschaft, Ich-AG, E-Community: Führt die zunehmende Individualisierung der Lebensstile zu Verantwortungs- und Gemeinschaftsverlust? Gibt es im 21. Jahrhundert einen neuen Menschentyp: den "vernetzten Egoisten"?

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LogoDer Prozess der Moderne ist eine Geschichte der zunehmenden Individualisierung mit allen Vor- und Nachteilen. Im vergangenen Jahrzehnt meldeten sich immer häufiger Sozialwissenschaftler zu Wort, die auf die radikalen Veränderungen unserer Gesellschaft als Folge der Umformung der Lebensstile aufmerksam gemacht haben. Die Möglichkeiten, das Leben individuell zu gestalten, waren noch nie so vielfältig. Vom Verlust von Gemeinschaftssinn und von der Unlust, eine kollektive Verantwortung zu übernehmen, ist die Rede. Gleichzeitig hat die informationstechnologische Entwicklung völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation geschaffen, die zur Auflösung lokal geprägter sozialer Strukturen beitragen. In der Informationsgesellschaft mit ihrer räumlich und zeitlich entkoppelten Verfügbarkeit von ad hoc-Kommunikationsangeboten nimmt die Bedeutung von sozialen Bindungen weiter ab.

Für das 21. Jahrhundert scheint der "vernetzte Egoist" einen neuen Lebensstil zu verkörpern: moderne Telekommunikation, insbesondere das Internet, schafft eine von tatsächlicher Nähe unabhängige enge Verbindung zu weit entfernten Gegenden und Gesprächspartnern. Aber erfährt der moderne vernetzte Mensch eine Sozialisation in und für die Gesellschaft? Oder leben wir nicht vielmehr in einer Singlewelt, in der sich durchsetzt, wer seine Ellenbogen am besten zum eigenen Nutzen einsetzt?

Mit dem Bild des vernetzten Egoisten wollen die Karlsruher Gespräche die Argumente und Aspekte im Hinblick auf die Veränderung der Lebensformen und deren Auswirkungen zusammentragen, wobei auch die Leitbilder für das 21. Jahrhundert eine Rolle spielen werden. Auf bewährte Weise - in Kurzreferaten und Diskussionsrunden - wird im Rahmen des Symposiums provokativ nach den Lebensentwürfen und -erwartungen der heutigen Generation gefragt vor dem Hintergrund eines zunehmend fragwürdiger werdenden Generationenvertrages. Wie unsere Gesellschaft mit der zunehmenden Überalterung und den daraus resultierenden, in viele Bereiche des Lebens ausgreifenden Problemen umgehen wird, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.

Ausgehend von der These, dass Leitbilder unsere Gesellschaft prägen, werden vier sich gegenseitig durchdringende und beeinflussende Themenbereiche die Tagung gliedern. Wie konstituiert sich Gemeinschaft in unserer Gesellschaft? Welche Auswirkungen hat die zunehmende Politikverdrossenheit auf die Demokratie? Wie wirken sich die neuen Lebensformen auf die sozialen Systeme aus? Welche Prognosen können für die Gesellschaft im Jahr 2010 getroffen werden?

Neben dem Symposium ist die künstlerische Interpretation des Themas fester Bestandteil der Veranstaltung. Als Mitveranstalter konnten das Badische Staatstheater, das Badische Landesmuseum und die Hochschule für Musik gewonnen werden. Die Veranstaltung unter der Leitung von Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha findet mit Unterstützung der L-Bank - Staatsbank für Baden-Württemberg und der Stadt Karlsruhe an verschiedenen Orten statt.

 

Programm

Freitag, 13. Feb. 2004, 19.30 Uhr

Foyer der Web.de AG, Amalienbadstraße 41, Durlach
Ich! Ich! Der vernetzte Egoist?
Eröffnung der 8. Karlsruher Gespräche

Begrüßung
Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Direktorin des ZAK
Grußworte
Heinz Fenrich, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe
Matthias Grewe, CEO Web.de
Festredner
Does E-technology strengthen or undermine democracy?
Prof. Dr. Benjamin R. Barber, The Democracy Collaborative, New York

Die Unendlichkeit als plastisches Ereignis
Prof. Dr. Mo Edoga, Mannheim / Art Institut of Chicago (SAIC)

mit Präsentationen des Badischen Landesmuseums, der Literarischen Gesellschaft,
der Staatlichen Kunsthalle, des ZKM

Lichtshow Kulturhauptstadt 2010
anschließend Empfang im Foyer der Web.de AG

Samstag, 14. Februar 2004, 9.30 Uhr - 18 Uhr

Gartensaal des Badischen Landesmuseums
Symposium Der vernetzte Egoist

9.30 Uhr Begrüßung
Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Direktorin des ZAK
Grußwort
Ullrich Eidenmüller
9.45 Uhr Werden wir alle "Singles"?
Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Hradil
Institut für Soziologie, Universität Mainz
10.15 Uhr Wird Jugendlichkeit zum Zivilisationsrisiko?
Prof. Dr. Ronald Hitzler
Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie, Universität Dortmund
10.45 Uhr Kaffeepause
11 Uhr

Neue Lebensformen - neue soziale Systeme?

Eva Kleber
Leiterin der Akademie für Sozial- und Familienkultur, Vaihingen/Enz

Prof. Dr. Bernhard Schäfers
Institut für Soziologie, Universität Karlsruhe

Prof. Dr. Franz Schulz-Nieswandt
Seminar für Sozialpolitik, Universität Köln

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Laszlo A. Vaskovics
Universität Bamberg

12.30 Uhr Mittagspause
14 Uhr

Ich-AG und E-Community: In welcher Gesellschaft leben wir?

Sybille Brüggemann
EDV-Trainerin und Soziologin, Stuttgart

Dr. Richard Herzinger
Die ZEIT, Hamburg

Matthias Hornberger
Direktor Business Development, Web.de AG Karlsruhe

Rudolf Maresch
Medienphilosoph, Lappersdorf

15.45 Uhr Kaffeepause
16 Uhr

Gesellschaft im Jahr 2010 - Der vernetzte Egoist?

Prof. Dr. Natascha Adamowsky
Kulturwissenschaftliches Seminar, Humboldt-Universität Berlin

Prof. Peter Weibel
Direktor des ZKM, Karlsruhe

Prof. Dr. Johann Günther
Direktor des Zentrums für Telematik, Donau-Universität Krems

17.30 Uhr Abschlussdiskussion
19.30 Uhr KA-Downtown No. 8
Musik-Club Nachtflug, Erzberger Straße 113

szenische Lesung Electronic City (Falk Richter)
mit dem Schauspiel des Badischen Staatstheaters und KA Downtown
Einrichtung: Anke Bußmann / Tilman Neuffer
Veranstalter: Badisches Staatstheater

Sonntag, 15. Februar 2004, 11.30 Uhr - 14 Uhr

Hochschule für Musik, Schloss Gottesaue
Kommunikation: Von der LAN-Party bis zur Violine

11.30 Uhr

Matinee mit Diskussion und Musik
Moderation: Prof. Dr. Olaf Schwencke (Berlin)

Bernd Diemer
Internet-Künstler, Berlin

Prof. Dr. Christiane Funken
Lehrstuhl für Soziologie, TU Berlin

Prof. Wolfgang Meyer
Rektor der Musikhochschule Karlsruhe

Marcel Odendahl
Chaos Computer Club Karlsruhe

11 Uhr

Handy-Konzert: Vom Klingeln zur Klassik
Kleines Haus, Badisches Staatstheater
Mitglieder der Badischen Staatskapelle und Badischen Konservatoriums
Veranstalter: Badischen Staatstheater

Dirigent: Wolfgang Heinzel
Moderation: Heiner Kondschak

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