Organisierte Kriminalität - Schattenseiten der Globalisierung

Karlsruher Gespräche 2010

Prof. Dr. Klaus von Lampe

Referent 

 

vonLampe

Klaus von Lampe ist Assistenzprofessor am John Jay College of Criminal Justice in New York. Er studierte Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und arbeitete nach Diplom und Staatsexamina zunächst als Rechtsanwalt. Einem Aufenthalt als Gastforscher an der School of Criminal Justice der Rutgers University, Newark (New Jersey) folgten die Promotion zum Dr. jur. an der Goethe Universität Frankfurt am Main mit einer Arbeit zum Thema „Organized Crime: Begriff und Theorie organisierter Kriminalität in den USA“ sowie Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Rechtswissenschaft und am Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin. Sein Interesse an Organisierter Kriminalität geht zurück auf die kriminalpolitische Diskussion um neue Ermittlungsmethoden Anfang der 90er Jahre. Schwerpunkte seiner Lehrtätigkeit sind gegenwärtig die internationale Strafrechtspflege und kriminologische Theorie. In seiner Forschung beschäftigt sich von Lampe hauptsächlich mit Problemen strategischer Kriminalanalyse und mit empirischen Erscheinungsformen Organisierter Kriminalität, insbesondere mit dem illegalen Zigarettenhandel, dem Drogenhandel und mit Machtstrukturen innerhalb der Unterwelt. Von Lampe ist ferner Autor, Co-Autor und Mitherausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen zu kriminologischen und politikwissenschaftlichen Themen und zudem Chefredakteur der Fachzeitschrift „Trends in Organized Crime“ und Mitglied in der Redaktion der Fachzeitschrift „Crime, Law and Social Change“.

 

Das ZAK hat Herr Prof. Dr. Klaus von Lampe gebeten, folgende Fragen zu beantworten:
Globalisierung ermöglicht eine zunehmende Ausweitung der Organisierten Kriminalität. Was kann auf lokaler Ebene dagegen unternommen werden?

"„Globalisierung“? „Organisierter Kriminalität“? Zwei so unscharfe und mehrdeutige Begriffe in eine Frage zu packen, macht es eigentlich unmöglich, darauf eine vernünftige Antwort zu geben. Vielleicht ist es auch besser, zunächst etwas über die mutmaßlichen Vorannahmen zu sagen, die der Frage zugrunde liegen. „Globalisierung“ wird häufig gleichgesetzt mit Begünstigung von Kriminalität und Erschwerung von Strafverfolgung. Das halte ich für eine kulturpessimistische Verzerrung der Realität. Die Bedingungen für Straftatenbegehung und Kriminalitätsbekämpfung ändern sich in mancher Hinsicht, aber nicht allein in die eine oder andere Richtung. Insbesondere scheint die Vorstellung weit verbreitet, Kriminalität auf globaler Ebene würde sich in einer quasi metaphysischen Sphäre abspielen ohne jegliche Bodenhaftung. Die allermeisten Straftäter haben jedoch ein Zuhause, gehen alltäglichen Routinen nach und sind auf eine lokale Infrastruktur angewiesen. Transnationale Kriminalität besteht mehr aus der Vernetzung solcher örtlich verankerten Täter, als aus den Operationen global mobiler Täter bzw. Tätergruppen. Zwei Ausnahmen gibt es. Erstens haben wir es mit „reisenden Rechtsbrechern“ zu tun, übrigens ein Begriff aus einer Zeit lange bevor das Wort „Globalisierung“ in Mode gekommen ist. Diese Täter, zum Beispiel Serieneinbrecher oder Taschendiebe, operieren von Stützpunkten in einem Land und begehen Straftaten in anderen Ländern. Diese Straftäter zu bekämpfen stellt eine andere Herausforderung dar als die Bekämpfung vor Ort ansässiger Täter. Die internationale Polizeizusammenarbeit, die ja im Zuge der „Globalisierung“ immer besser wird, ist hier eine wichtige Hilfe. Aber die Begehung dieser Straftaten ist letztlich doch immer lokal und daher lokal zu bekämpfen mit Mitteln der Strafverfolgung und der Kriminalprävention. Die zweite Ausnahme von der lokalen Verankerung von Straftätern sind bestimmte Spielarten der Internetkriminalität, etwa in den Bereichen der Video- und Softwarepiraterie und der Verbreitung von Kinderpornografie. Hier haben wir es mitunter mit kriminellen Netzwerken zu tun, die sich im Cyberspace gebildet haben und bei denen sich die Beteiligten erstmals im Gerichtssaal von Angesicht zu Angesicht begegnen. Das ist ein vollkommen neues Phänomen. Natürlich sitzen auch diese Täter nicht freischwebend an ihrem Computer. Aber Gegenstrategien müssen wohl trotzdem in erster Linie im Cyberspace ansetzen. Und was ist mit den verschiedenen „Mafias“, die Deutschland unterwandern bzw. erobern? Sofern es sich um territorial verankerte Gruppierungen, eng verflochten mit Politik und Wirtschaft, handelt, so lassen sich diese nicht einfach hierher verpflanzen. Kriminelle und kriminelle Gruppen, die ja zumeist mit den allgemeinen Migrationsströmen in andere Länder gekommen sind, mussten sich letztlich immer den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Es kommt darauf an, wie kriminalitätsfördernd diese Gegebenheiten sind, Mafia hin oder her. Gut ausgestattete Strafverfolgungsbehörden, eine transparente Verwaltung, aufmerksame, kritische Medien und eine starke Zivilgesellschaft sind in jedem Fall wichtig, gerade auf lokaler Ebene und gerade in Zeiten der „Globalisierung“. "