Rückblick 13. Karlsruher Gespräche

Rechts außen

Im Alltag werden rechtsextreme Tendenzen bisweilen kaum wahrgenommen. Sie dringen meist erst durch konkrete Nachrichten in unser Bewusstsein. Die Referentinnen und Referenten der 13. Karlsruher Gespräche vom 6. bis 8. Februar betonten die Aktualität des Rechtsextremismus, der auch vor der Mitte der Gesellschaft nicht Halt macht.

Insgesamt 800 Besucherinnen und Besucher folgten den Vorträgen über rechtsextreme Trends sowie über entsprechende Gegenstrategien. Nicht nur die Äußerungen des Holocaust-Leugners Williamson lassen die Frage aufkommen, welche Bedeutung der Rechtsext remismus in Deutschland und Europa hat. „Staatliche Repression und zivilgesellschaftliche Intervention müssen in komplexerer Dynamik gedacht werden als dies bisher geschieht“ – dies ist eine Maßnahme, die Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer in seiner Eröffnungsrede als Reaktion auf den Rechtsextremismus vorschlug. Soziale Desintegration in der Gesellschaft, so der Professor für Sozialisation und Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, ist die Ursache für „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die zu rechtsextremen Handlungen führe.

Mit Blick auf Europa stellte Prof. Dr. David Art aus den USA im Symposium am Samstag die Frage, weshalb rechtsextreme Parteien in manchen Ländern stärker sind als in anderen. Ein entscheidender Faktor, so der Professor für Politikwissenschaft an der Tufts University Medford/Massachusetts (USA) und Max Weber Fellow am European University Institute in Florenz, sei die innere Organisation und Professionalität der Mitglieder. Doch auch die gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten sind ausschlaggebend: In Ländern wie Deutschland, wo solche Parteien eher auf Ablehnung stoßen, sind sie schwächer, wobei die Gefahr dennoch nicht zu unterschätzen sei. In Frankreich galt die Front National als Modell für andere rechtsextreme Parteien, bevor sie nach der Wahl 2007 erheblich an Einfluss verlor, so Prof. Dr. Jean- Yves Camus, Professor für Politologie am Institut für Jüdische Studien Elie Wiesel und am Institut für Internationale und Strategische Beziehungen (IRIS) in Paris.

Über die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Deutschland referierte unter anderem Prof. Dr. Birgit Rommelspacher. Die Professorin für Psychologie an der Alice Salomon Hochschule Berlin stellte fest, dass die Mitte der Gesellschaft eine Diskrepanz aufweist, die sich beispielsweise in einer Angst vor Überfremdung bei gleichzeitiger Verurteilung rechtsextremer Akteure zeige. Nach Ansicht der Referentin sei es wichtig, „sich der Ambivalenzen bewusst zu werden und sich kritisch zu positionieren auch gegenüber all den Mechanismen in der Gesellschaft, die der Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen ständig weitere Nahrung geben.“

Notwendig sei zudem eine Auseinandersetzung mit den Reizen rechtsextremer Gruppen für Jugendliche wie Mach-mit-Botschaften und die Vermittlung von Kameradschaft, so Dr. Thomas Pfeiffer von der Abteilung Verfassungsschutz beim Innenministerium NRW und Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Als eine Gegenmaßnahme müsse die „Demokratische Erlebniswelt durch Partizipation, Verantwortung und Wir-Gefühle auf der Basis von Vielfalt und Gleichwertigkeit gestärkt werden“. Informationen zu den weiteren Rednerinnen und Rednern und ihren Beiträgen finden sich unter www.zak.uni-karlsruhe.de.

Die Podiumsdiskussion ‚Rechtsradikal: Leichter Einstieg, schwerer Ausstieg?‘ bildete am Sonntag den Abschluss der 13. Karlsruher Gespräche und wurde von der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Cornelia Schmalz-Jacobsen eingeleitet. Die Diskussion lieferte einen Einblick in die Erfahrungen ehemaliger Neo-Nazis und Personen, die beruflich mit diesem Thema zu tun haben. Als Aussteiger nahmen Jörg Fischer-Aharon und Matthias Adrian teil, die ihre Erfahrungen authentisch darstellen konnten. Unser besonderer Dank gilt der Sparda-Bank Baden-Württemberg eG für ihre erneute großzügige Unterstützung sowie der Stadt Karlsruhe, der IHK Karlsruhe, dem ZKM | Karlsruhe, dem Badischen Staatstheater und dem Fernsehsender ARTE für die sehr gute Kooperation.