Globale Klimapolitik in einer brüchigen Weltordnung

Colloquium Fundamentale im Wintersemester 2022/23

Deutlich unter zwei Grad müsse die globale Erwärmung bis 2100 verglichen mit dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden – darauf hat sich die Weltgemeinschaft im Rahmen der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris geeinigt. So klar dieses Ziel erstmals völkerrechtlich verbindlich definiert ist, so unklar ist der Weg dorthin – auch in Anbetracht aktueller weltpolitischer Entwicklungen und Krisen.

Der Klimawandel muss länderübergreifend koordiniert, die Beiträge zur Reduktion von Treibhausgasen müssen international bzw. global verhandelt werden. Wie funktioniert die internationale und globale Klimapolitik? Welche politischen und ökonomischen Instrumente gibt es? Wie realistisch und effektiv sind sie? Wie funktioniert der Emissionshandel? Welche Verhandlungspositionen gibt es zwischen Ländern, die mehr oder weniger von den Folgen des Klimawandels betroffen sind oder zwischen Ländern, die historisch wenig und historisch viel zum Klimawandel beigetragen haben? All diese Fragen sollen auch vor dem Hintergrund der brüchig gewordenen Weltordnung diskutiert werden. Wenn die globale Klimapolitik bislang schon schwierig war – wie kann sie gelingen in einer Welt, in der der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Weltgemeinschaft spaltet und eine gemeinsame Wertebasis in Frage stellt?

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich das Colloquium Fundamentale im Wintersemester 2022/23. Ziel ist es, internationale Verhandlungsregime sowie politische und ökonomische Instrumente kennenzulernen und diese vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen zu diskutieren. Welche Perspektiven lassen sich für den globalen Klimaschutz aufzeigen?

Das Colloquium Fundamentale wird durch den KIT Freundeskreis und Fördergesellschaft e.V. gefördert.

Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Senja Post
Organisation: Mareike Freier M.A.

Veranstaltungsübersicht

Dreißig Jahre Klimapolitik: Kommen wir voran?

Donnerstag, 10. November 2022, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5, EG

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Prof. Dr. Miranda Schreurs

Professorin für Umwelt- und Klimapolitik, Hochschule für Politik an der Technischen Universität München

 

Die Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels, begannen Ende der 1980er Jahre mit der Gründung des Weltklimarates und mit der ersten Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in 1992. Seit dieser Zeit sind über dreißig Jahre vergangen. Was ist in der Zwischenzeit erreicht worden? Haben das Kyoto-Protokoll und das Pariser Abkommen etwas bewirkt? Gibt es Hoffnung, ob das 1,5 Grad Ziel noch zu realisieren ist? China, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union sind die drei größten Emittenten von Treibhausgasen. Sie konkurrieren auch um Technologien der nächsten Generation. Wie könnte sich dies auf die Treibhausgasemissionen auswirken? Und was ist mit dem russischen Krieg in der Ukraine? Wie wirkt sich dies auf Pläne und Fortschritte bei der Energiewende aus? Diese und weitere Fragen werden in diesem Vortrag behandelt.


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Prof. Miranda Schreurs (PhD University of Michigan) ist Lehrstuhinhaberin für Climate and Environmental Policy an der Hochschule für Politik an den Technischen Universitäten München. Sie beforscht unter anderem die Energiewende und der Klimapolitik in Europa, den USA und Asien und setzt sich auch mit politischen Fragen zur Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen in ihrer Rolle als Ko-Vorsitzende des Nationalen Begleitgremiums auseinander. 2011 wurde Prof. Schreurs von Kanzlerin Angela Merkel als Mitglied der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung berufen. Sie war Mitglied in dem Sachverständigenrat für Umweltfragen der deutschen Regierung (2008-2016) und ist stellvertretende Vorsitzende des European Environment and Sustainable Development Advisory Councils. Sie war Fulbright Stipendiatin (Japan, Deutschland) und forschte drei Jahre lang mit einem Stipendium der MacArthur Stiftung an der John F. Kennedy School of Government der Harvard University. Außerdem arbeitete sie als Professor an der University of Maryland. Von 2007 bis 2016 war sie Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik und Professorin für vergleichende Politikanalyse an der Freien Universität Berlin.

 

Warum ist kooperatives Verhalten in der internationalen Klimapolitik eigentlich so schwierig?

Donnerstag, 24. November 2022, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5, EG

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Prof. Dr. Martin Kesternich

Stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Umwelt- und Klimaökonomik“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim


Das Abkommen auf der Pariser Klimakonferenz wurde als historischer Wendepunkt in der Klimapolitik gefeiert. Die Weltgemeinschaft fasste den Beschluss, die globale Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Aus ökonomischer Sicht ist der Klimaschutz ein globales Gemeinschaftsgut. Die notwendige internationale Kooperation ist mit erheblichen Anreizproblemen verbunden. Das rationale Verhalten des Einzelnen führt in der Regel nicht zum gesellschaftlich optimalen Maß an Klimaschutz. Wo stehen wir also heute, sieben Jahre nach Paris? Welchen Herausforderungen muss sich die internationale Staatengemeinschaft bei der weiteren Ausgestaltung des Klimavertrags stellen? Diesen Fragen widmet sich der Vortrag von Prof. Dr. Martin Kesternich aus einer verhaltensökonomischen Perspektive.


Kurzbiographie ⊻

Prof. Dr. Martin Kesternich ist stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs “Umwelt- und Klimaökonomik“ und seit Januar 2019 Professor für Volkwirtschaftslehre, insbesondere Umwelt- und Ressourcenökonomik, an der Universität Kassel. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und der Pontificia Universidad Católica Argentina in Buenos Aires. Im Juli 2015 schloss er seine Promotion an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg ab. Als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes war Martin Kesternich Gastwissenschaftler an der Yale School of Forestry & Environmental Studies. Seine Forschungssinteressen umfassen experimentelle und empirische Ansätze im Bereich der Umwelt- und Verhaltensökonomik.

 

Internationale Klimapolitik: Aktuelle Herausforderungen aus der Perspektive deutscher Außenpolitik 

Donnerstag, 8. Dezember 2022, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5, EG

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Dr. Marian Feist

Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik


Nachdem es Ende 2021 noch Anlass zu relativem Optimismus gab, steht die internationale
Klimakooperation derzeit unter ausgesprochen schwierigen Vorzeichen. Energie- und sicherheitspolitische Fragen haben die kurzfristigen Prioritäten vieler Länder verschoben. Gleichzeitig erreichen die Verhandlungen unter der UN-Klimarahmenkonvention einen kritischen Punkt – angesichts unzureichenden Fortschritts bei der Emissionsreduktion und wachsender Frustration über ungelöste Fragen in Bereichen wie finanzieller Unterstützung. Der Vortrag erörtert die aktuellen Dynamiken und Entwicklungen in der internationalen Klimapolitik und gibt einen Überblick über Optionen und Prioritäten für die deutsche Außenpolitik.


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Dr. Marian Feist ist Politikwissenschaftler am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit (Stiftung Wissenschaft und Politik). Er befasst sich mit globaler Umweltpolitik, insbesondere den UN-Klimaverhandlungen und internationaler Klimafinanzierung.

 

Klima, Kohle und Armutsbekämpfung - Herausforderungen für Klimapolitik in Entwicklungs- und Schwellenländern

Donnerstag, 19. Januar 2023, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5, EG

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Prof. Dr. Jan Steckel

Leiter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC)    


Um die internationalen Klimaziele noch zu erreichen, muss die Kohleverstromung schon dieses Jahrzehnt um bis zu 70 Prozent sinken und durch emissionsarme Technologien ersetzt werden – nicht nur in Deutschland, sondern global. Gleichzeitig wird global immer noch mehr neue Kohle zugebaut als abgeschaltet. Der Vortrag skizziert die politischen und ökonomischen Herausforderungen des globalen Kohleausstiegs und geht auf Lösungsmöglichkeiten ein. Dabei fokussiert er sich vor allem auf die internationale Dimension des Problems.


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Prof. Dr. Jan Christoph Steckel leitet die Arbeitsgruppe "Klimaschutz und Entwicklung" am Berliner Forschungsinstitut MCC und ist Professor für Klima- und Entwicklungsökonomie an der BTU Cottbus. Er forscht hauptsächlich zur Rolle von Entwicklungs- und Schwellenländern bei der Verringerung des Klimawandels und ist Autor einer Vielzahl von wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Thema. Professor Steckel war Autor verschiedener Berichte des Weltklimarates sowie Leitautor zum Thema globaler Kohleausstieg im "Emissions Gap Report" des UN Umweltprogramms.

 

Mehr oder weniger Klimagerechtigkeit? Die USA und die VR China in den internationalen Klimaverhandlungen 

Leider musste der Vortrag am 9. Februar 2023 von Dr. Ritthaler-Andree ausfallen.


Dr. Ronja Ritthaler-Andree

Institut für Politische Wissenschaft an der Universität Heidelberg 


Eine effektive internationale Klimaschutzpolitik ist von der aktiven Teilnahme der Staaten an dem internationalen Klimaregime abhängig. Dabei spielen die größten Emittentenstaaten der Welt, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Volksrepublik China, eine enorme Rolle. Doch die Sichtweisen zu einer gerechten Aufteilung der Klimaschutzaufgaben innerhalb des UN-Klimaregimes variieren sehr stark, sodass die Verständigung auf international verbindliche Emissionsreduktionsziele bisher nicht möglich war. Denn auch das Pariser Abkommen lässt sehr viele Fragen offen. Der Vortrag zeigt, welche Klimagerechtigkeitsargumente die Klimaschutzpolitik der USA und der VR China prägen und welche Auswirkungen diese auf das UN-Klimaregime haben. 


Kurzbiographie ⊻

Dr. Ronja Ritthaler-Andree, Jahrgang 1986, ist freie Autorin und Betreuerin des Fernstudiengangs Umweltpolitik der Universität Koblenz. Sie lehrte bisher auch an der Universität Heidelberg und der Universität Kaiserlautern. Von 2006 bis 2013 studierte sie Politische Wissenschaft und Germanistik an der Universität Heidelberg sowie an der Universidad de Santiago de Compostela. Anschließend war sie Mitarbeiterin am Institut für Politische Wissenschaft in Heidelberg und promovierte zu Klimagerechtigkeit und internationale Klimaschutzpolitik. Für ihre Arbeit wurde sie 2021 für den Ruprecht-Karls-Preis nominiert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind internationale Klimaschutzpolitik und Regimeentwicklung, Klima- und Energiepolitik in den USA, China und Indien sowie Climate Engineering. Daneben zählen diskursanalytische Methoden in Sprach- und Sozialwissenschaften zu ihren Kompetenzen.