Europäische Kulturtage Karlsruhe 2016

Dr. Bora Akşen

Referent

 

Curriculum Vitae

Dr. Bora Akşen, geboren 1977 in Giengen an der Brenz, studierte an der Universität Bremen und an der University of North London Anglistik/Amerikanistik und Kulturwissenschaft. Anschließend promovierte er am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen mit einer Dissertation zur Medienaneignung türkischer Migrant/innen in Deutschland mit dem Titel „Mediatisierte Partizipationsgenerationen: Medienpartizipation und IKT-Berufspartizipation türkischer Migrationsgenerationen“. Begleitet wurde die Promotion durch eine Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Bremen. Akşen leitet seit Oktober 2014 am Deutschen Auswandererhaus das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderte „Forum Migration“, ein diversity-pädagogisches Vermittlungsprojekt, das sich aus drei verschiedenen Elementen zusammensetzt: museumspädagogische Angebote, Oral-History und Besucherforschung. Zudem betätigt er sich als Kurator wie zuletzt an der Sonderausstellung „Plötzlich da. Deutsche Bittsteller 1709, türkische Nachbarn 1961“. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen in der Arbeitsmigration nach 1945, aktuellen Migrationsbewegungen nach Deutschland, interkultureller Bildung und der Medienaneignung von Migranten.

Abstract

Türkische Migrationsgeschichte(n) und ihre Vermittlung am Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven

 

Die Geschichte der Migration in der Bundesrepublik ist eine Geschichte der Widersprüche und der Abwehr, aber auch des Engagements und der gelungenen Integration. Dem Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei 1961 folgte bereits zwölf Jahre später der Anwerbestopp – mit gravierenden Folgen für die sogenannten Gastarbeiter: Sie mussten sich entscheiden, ob sie in die Türkei zurückkehren oder längerfristig in Deutschland bleiben. Doch der Anwerbestopp verfehlte sein Ziel: Hatte sich die Bundesregierung eine verstärkte Rückmigration der türkischen Migranten/innen erhofft, kompensierte der eintretende Familiennachzug diese Effekte sofort. Aus „Gastarbeitern“ wurden so Einwanderer, aus einer Politik der befristeten Anwerbung wurde eine Politik der „Integration auf Zeit“. War dieser Wandel bereits in den 1970er Jahren vorhergesagt worden, wurde „Ausländerpolitik“ in den 1980er Jahren dennoch zu einem Wahlkampfthema, in den 1990er Jahren gipfelte die Entwicklung schließlich in Brandanschlägen, Pogromen und einer weitreichenden Reform der Asylgesetzgebung. Und schien die Bundesrepublik mit dem Sommermärchen 2006 ihren Frieden mit sich als Einwanderungsland geschlossen zu haben, erleben wir gegenwärtig in Anbetracht einer erneuten Zunahme der Flüchtlingszahlen auch wieder eine Zunahme an rassistischer Gewalt.

Der Vortrag möchte die Entwicklung Deutschlands zum Einwanderungsland wider Willen anhand zentraler Ereignisse der deutschen Migrationsgeschichte, individueller Biografien und historischer Objekte aus den vergangenen 55 Jahren nachzeichnen. Die Perspektive der Einwanderer/innen soll dabei in den Mittelpunkt der Analyse gerückt werden: Was waren die Migrationsgründe der sogenannten Gastarbeiter, wie wurden sie zu Beginn in Deutschland aufgenommen, und welche Hürden mussten sie auf sich nehmen, um letztendlich an der deutschen Gesellschaft zu partizipieren?

Grundlage des Vortrags bildet die Sonderausstellung am Deutschen Auswandererhaus „Plötzlich da. Deutsche Bittsteller 1709, türkische Nachbarn 1961“.