Von Häkeltangas und Afghaninnen am Steuer

Fünf Dokumentationen wie sie in ihrer Thematik nicht unterschiedlicher sein könnten. Und doch haben sie alle etwas gemeinsam: Die Gegensätzlichkeit althergebrachter Werte und immer flüchtigeren Leben. Die Arte-Filmnacht ist fester Bestandteil der Karlsruher Gespräche. Sarah Schauberger fasst die diesjährigen Filme zusammen.

Zwischengesellschaft auf der Leinwand: Die traditionelle Arte-Filmnacht (Bild: ZAK)
Zwischengesellschaft auf der Leinwand: Die traditionelle Arte-Filmnacht (Bild: ZAK)

Die Filme beschäftigen sich alle – passend zum Motto der 17. Karlsruher Gespräche „Zwischengesellschaft“ – mit der Wechselbeziehung aus Traditionen und modernen Einflüssen, denen man sich im Internetzeitalter nur schlecht entziehen kann.

Die erste Dokumentation „Afghanische Frauen am Steuer“ von Sahraa Karimi aus dem Jahr 2009 handelt von weiblicher Emanzipation. Das Recht für Frauen Auto zu fahren, existiert in Deutschland seit über 50 Jahren – in Afghanistan ist es bisher in männlicher Hand. Die afghanischstämmige slowakische Regisseurin Karimi, begleitet vier Frauen auf ihrem Weg zur Unabhängigkeit, indem sie versuchen ihre Fahrerlaubnis zu erlangen. Dabei gewährt sie Einblicke in die Privatsphäre der Frauen und zeigt, wie die Geschlechterrolle in diesem Land eingeteilt ist.

Jesus und das Teufelswerk

Der Film von Britta Mischer und Haike Stuckmann „Missionare im Gleichschritt – Die „Jesus-Revolution-Army“ von 2006 dokumentiert drei Jugendliche, die sich dieser „christlichen Armee“ angeschlossen haben und nun ein Leben führen, das ausschließlich Jesus gewidmet ist. Sie versuchen mit modernen Mitteln, wie hipper Musik und Choreographie, weitere Jugendliche für das religiöse Leben zu begeistern. Manche geben dabei sogar an, durch die „Jesus-Revolution-Army“ von ihrer langjährigen Drogensucht geheilt worden zu sein.

„Sündige Maschen made in Polen“ von Dorothe Dörholt aus dem Jahr 2006 zeigt ein kleines Dorf in Polen mit Namen Koniakow, in dem statt Spitzentischdecken mittlerweile Spitzentangas hergestellt werden. Traditionsverfechter sehen darin ein „Teufelswerk“. Die Erfinderin Malgorzata Stanaszek hingegen sichert damit ihr täglich Brot und das von 50 weiteren Häklerinnen. Das Geschäft mit der Unterwäsche funktioniert so gut, dass sie damit die aufkeimende wirtschaftliche Misere abwenden konnte. Frau Stanaszek möchte nun aus ihrer bisherigen Wirkstätte, einem angemieteten Kellerraum, in ein öffentliches Büro mit Schaufenster umziehen. Aber die traditionsbehaftete Dorfbevölkerung hält nur wenig von dieser Idee.

Die verlorene Zeit

Der Regisseur Ismail Elmokadem folgt in seiner Kulturdokumentation „Pop Islam“ von 2011 zwei jungen Ägyptern, die versuchen ihre Karriereträume zu verwirklichen. Es handelt sich dabei um Abu Haibi, dem Chef von „4Shbab“, dem ersten muslimischen Musiksender und dem Kopftuchmodel Yasmine Mohsen. Beide sind in großem Maß der öffentlichen Kritik ausgesetzt, weil sie versuchen ihre Karriere mit modernen und traditionsbewussten Elementen zu verknüpfen. Die strengen Glaubensanhänger fürchten, dass durch Musikvideos und Kopftuchmode die, wie sie es nennen, „Amerikanisierung des Islam“ weiter fortschreitet.

Den Abschluss der Filmnacht bildet der Dokumentarfilm „Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Florian Opitz aus dem Jahr 2012. Er handelt vom Zeitmanagement im 21. Jahrhundert. Ein Zeitalter von Smartphones, Rechnern und Highspeed-Internetverbindungen. Als Protagonist dient hier der Regisseur selbst, der kürzlich Vater wurde und sich immer wieder die Frage stellen muss: „Woher kommt meine verdammte Raserei?“. Auf seiner Suche nach unterschiedlichem Zeitmanagement, begegnet er Menschen, bei denen Zeitersparnis zum Tagesgeschäft gehört und solchen, die sich jeglicher Rastlosigkeit entzogen und einen anderen Lebensrhytmus gewählt haben.

Die Arte-Filmnacht findet am Samstag, 23. Februar 2013 um 20 Uhr im ZKM _ Medientheater statt und lädt alle Interessenten bei freiem Eintritt herzlich ein.

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