Spanien im Schwarzwald

Der Dichter und Essayist José Oliver stellt am Sonntag, 24. Februar 2013 um 15 Uhr bei den Karlsruher Gesprächen sein Buch „Mein andalusisches Schwarzwalddorf“ vor. Wo jenes Dorf liegt, wie es aussieht und was es besonders macht, weiß Sarah Müller, die für uns das Buch gelesen hat.

Wenn zwei Kulturen sich begegnen: Der Andalusier José Oliver erzählt von seinem Schwarzwalddorf (Bild: J. Oliver)
Kulturengemisch: Der Andalusier José Oliver erzählt von seinem Schwarzwalddorf (Bild: J. Oliver)

Mein andalusisches Schwarzwalddorf, 2007 bei Suhrkamp erschienen ist eine Sammlung von unterschiedlichen Textsorten. Der Autor erzählt darin Geschichten aus seiner Kindheit, die von zwei Kulturen geprägt sind – der deutschen und der spanischen. Er mischt, selbst als eine Art Gemisch aus Andalusier und Schwarzwälder, in seinen Texten auch die spanische und die deutsche Sprache auf eine literarisch anspruchsvolle und emotionale Weise zu einer Melange aus Erinnerungen, Essays und Gedichten.

José Oliver wurde 1961 als Sohn einer andalusischen Gastarbeiterfamilie in Hausach im Schwarzwald geboren. Bilingual aufgewachsen und geprägt durch zwei unterschiedliche Kulturen versucht er dieses Spannungsfeld in seiner Literatur zu beschreiben. Er hat in Berlin, Lima oder Québec gelebt, war Stadtschreiber in Kairo und Gastprofessor am Massachusetts Institut of Technology (MIT) Cambridge. Doch er ist immer wieder zurückgekommen in sein „andalusisches Schwarzwalddorf“.

Wenn zwei Sprachen nicht reichen

Das andalusische blaue Meer wird bei José Oliver zu einem Meer aus Grün, einem Wald, dem Schwarzwald. Oliver beschreibt wie er mit zwei Heimaten aufgewachsen ist, immer auf der Suche nach Worten und nach Sprache.

Er erinnere sich gerne an Sommerabende und Heugabeln, das „Haihopfe mit den Nachbarskindern“ und die verschneiten Nachmittage und Schlittenfahrten. Aber auch an Orangen, „den Duft des Südens“ mitten im Schwarzwalddorf. Am Wochenende putzen ihn seine Eltern traditionsbewusst mit einem Matrosenanzug heraus. „Mit fast welterschütternder Regelmäßigkeit zelebriert, wurde er mit circa zwanzig Erwachsenen […] zum Spaziergang verdonnert und ging auf Grund seines mittelmeerisch aufgetragenen äußeren Erscheinungsbildes murrend, aber folgsam seinen Weg auf dieser sonntäglichen Andalusienrallye der dahinpromenierenden spanischen Erziehungsberechtigten samt Schutzbefohlenen.“

Werktags dagegen schien es ihm, dass sie alle viel weniger spanisch waren, so wurde er – wie alle anderen Kinder im Dorf – in Lederhosen gesteckt, ein „Schwarzwälder Bue“. Schließlich berichtet Oliver noch von den grotesken Maskenumzügen, Fasent und dem Schmutzige Dunnschdig – von einer Zeit, die es nur im Schwarzwalddorf, in Deutschland, aber nicht in Andalusien gibt. Er sollte „kulturmehrfach“, „sprachgetrieben“ und „zwischensprachlich“ aufwachsen.

Wortspiele und Sprachenmix

„El mar La mar Das Meer Die Meerin Der Meer“. Was hier als Wortspielerei erscheint, ist für Oliver eine notwendige „Reise“, ein „Einatmen in Sprachfetzen, um vielleicht jenen Sprachhütern und Alphabestien zu begegnen“ und um den Wörtern und ihren Beziehungen zur einen wie auch zur anderen, der deutschen und der spanischen Kultur, anzunähern. Aus der Spannung zwischen den Sprachen heraus erkennt José Oliver für sich selbst, dass er „nicht nur an den dudenkorrekt ausgelegten Richtschnüre[n] einer Sprache entlang schreiben kann. Die parallele Wahrnehmung zweier Sprachen lässt [ihn] die Dinge und ihre Verhältnisse ständig aus verschiedenen Perspektiven erleben.“ Diese doppelte Sichtweise Olivers erzeugt einen Stil voller Neologismen und ungewohnter Wortverbindungen, die es dem Leser zu Beginn schwer machen, das Gesagte nachzuvollziehen.

Mein andalusisches Schwarzwalddorf ist als Taschenbuch bei Suhrkamp erschienen (Bild: suhrkamp)
Mein andalusisches Schwarzwalddorf ist als Taschenbuch bei suhrkamp erschienen (Bild: suhrkamp)

Gerade das erste Kapitel Mein Hausach ist voll von Sätzen wie: „Ständige Ankunft heuer, die Seelenwärme lebt, ein SchollenHERZ buchstabiert und mit den Jahren ein Humanum erzählt, das immer mehr war (und ist) als Provinz und heimgebrachte Metropole.“ Dieser Stil mag abschreckend und auf den ersten Blick unverständlich wirken, dennoch gelingt es dem Autor mit seiner besonderen Sprache zu faszinieren. Gerade die anfänglichen Verständnisschwierigkeiten scheinen dem Leser eigentlich vorführen zu wollen, wie schwierig es ist Gedankengänge zu übersetzen und die Bedeutungsvielfalt einzelner Wörter in einer anderen Sprache genauso gut ausdrücken zu wollen. Die Kapitel, in denen Oliver seine Erlebnisse und Erinnerungen schildert, sind viel verständlicher verfasst. Auffallend bleibt aber die Vermischung von Hochdeutsch, Dialekt und dem Andalusisch-Spanischen, die seine gesamte Textsammlung prägt.

Die einzelnen Beiträge setzen sich aus verschiedenen Reden, Aufsätzen und Gedichten zusammen, jeweils in ihrer ursprünglichen Form als einzelne Kapitel unmittelbar nebeneinander. Neben persönlich-reflektierenden Erzählungen stehen eher theoretische, sprachwissenschaftliche Essays. Dazwischen gibt es schwarz-weiß Fotografien, die den Jungen José, seine Eltern und sein Heimathaus zeigen.

José Oliver schafft mit seinem Buch ein buntes Mosaik, das sich zu einem Gesamtgemälde zusammenfügt: der kleine andalusische Junge im Matrosenanzug, Fasent und ein Dichter auf der Suche nach den richtigen Worten. Es gelingt ihm mit seinen unterschiedlichen Texten auf anschauliche Art und Weise den besonderen Gemütszustand zu beschreiben, zwischen zwei Sprachen festzustecken und nicht immer die richtigen Worte finden zu können.

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