Emanzipation auf afghanisch

Afghanistan ist bis heute eine Männerdomäne: egal ob Wirtschaft, Politik oder alltägliches Leben. Nur wenige Frauen besitzen eine Schulbildung, von einem Studienabschluss gar zu schweigen. Shinkai Karokhail gehört zu den wenigen Ausnahmen. Am Eröffnungsabend der 17. Karlsruher Gespräche spricht sie über Frauen zwischen Tradition und Moderne. Maren Müller portraitiert die außergewöhnliche Afghanin.

Allein unter Männern (© 2010 Leslie Knott)
Allein unter Männern (© 2010 Leslie Knott)

Zurzeit ist sie Afghanische Parlamentsabgeordnete. Doch bis ins Parlament der Nationalversammlung war es ein langer Weg: Geboren ist Shinkai Karokhail in Chinar in der Provinz Kabul. Erzogen wurde sie unter traditionellen Werten. Von Beginn ihres Lebens an musste sie sich damit auseinandersetzen, dass Männer eine höhere Stellung in der Gesellschaft einnehmen sollten als Frauen. Diese traditionelle Erziehung konnte sie jedoch nicht davon abhalten, nach einer höheren Bildung und gesellschaftlichen Stellung zu streben.

Karokhail machte ihren Diplomabschluss in Englisch und wurde Ärztin. Sie glaubt daran, dass eine gute Ausbildung das wichtigste ist, um die Rolle der Frau in einer männerdominierten Welt zu stärken und die traditionellen Ansichten in Afghanistan zu ändern. Zudem ist sie der Meinung, dass Frauen durch eine höhere Bildung geholfen werden kann sich vor sexueller Gewalt schützen zu können.

Mit Bildung gegen Gewalt

1991 wurde das „Afghan Women’s Education Center“ (AWEC) in Islamabad gegründet. Karokhail gehört zu den Gründungsmitgliedern dieser Organisation. Ihre Mitstreiterinnen und sie wollten afghanischen Flüchtlingen, vor allem den Frauen darunter, in der Region um Islamabad helfen. Sie boten ihnen einen Treffpunkt und verschiedene Kurse, in denen sie den Frauen Lesen, Englisch, Umgang mit Computern, Schneidern aber auch vor allem ein Bewusstsein für ihre eigenen Rechte beibringen wollten. (Auf der Homepage des AWEC gibt viele Infos zu der Ziel- und Umsetzung)

Mit dem AWEC hatte Karokhail bereits ihr Vorhaben, den Frauen eine höhere Bildung zu ermöglichen erreicht. Doch damit sollte noch lange nicht Schluss sein. Ihre Vision sollte den Frauen nicht nur eine höhere Bildung sichern, sie wollte sie auch in die Gesellschaft integrieren und für politisches Engagement begeistern. Deswegen kandidierte sie 2005 selbst als Abgeordnete der Nationalversammlung und gewann. Neben ihrem Glauben daran, dass nur Änderungen der politischen Situation in Afghanistan die Lage der Frauen wirklich verbessern können, waren ihre weiblichen Freunde ihr eine große Unterstützung bei der Kandidatur. Doch gleichzeitig sprach ihr eigener Bruder nicht einmal mehr mit ihr.

Doch schon zu ihrer zweiten Kandidatur hat sich bereits in ihrer Familie und vor allem bei ihrem Bruder die Ansicht, dass eine Frau nicht in die Politik gehört, geändert. Ihr Bruder unterstützte sie dieses Mal, nachdem er bemerkt hatte, dass das gesamte Dorf hinter ihr stand. Er half ihr sogar bei der Wahlkampagne. Dieser Wandel im Denken ihres Bruders bestärkte sie noch weiter in ihrem Glauben, dass man die Meinungen der Menschen ändern kann.

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