Wenn Steine fliegen und Stempel sprechen

In der Ukraine kämpften tausende Menschen gegen ihre repressive Regierung um sich politisch der EU anzunähern. In dem Gewinnerstück des europäischen Wettbewerbs „Über Grenzen sprechen“ fängt Dmytro Ternovyi Stimmen und Stimmungen des Maidan Platz in einer politischen Komödie ein. Konstantin Maier hat sich sein Stück angschaut.

Eine Frau sitzt auf dem Bett und telefoniert. Die Sachlage scheint kompliziert, es geht um Bescheinigungen, Anträge und ihren Freund. Plötzlich erscheint ein Flüchtling und bittet um Asyl. Er wird verfolgt. Die Frau ist überrumpelt, doch versteckt den Flüchtling. Als eine Nachbarin und später ein Offizier zu einer Befragung auftauchen, wird es immer komplizierter und abstruser. Wer versteckt sich wo und vor wem?

Sie will nur das Visum für die Reise ihres Chors beantragen, hinter ihr warten Ordner und Aktentasche
Sie will nur das Visum für die Reise ihres Chors beantragen, hinter ihr warten Ordner und Aktentasche

Stimmen des Maidan

In dem Stück „Hohe Auflösung“ verarbeitet der ukrainische Autor die brandaktuellen Entwicklungen am Maidan, einem Platz in der Hauptstadt Kiew auf dem sich Tausende Bürger angesammelt haben, um gegen ihre Obrigkeit zu protestieren. „Ich bin kein Politikexperte oder Geschichtswissenschaftler“, sagt der Autor Dmytro Ternovyi in der anschließenden Diskussion, „ich bin nur ein einfacher Mensch, der dass verarbeitet was passiert“. Das Stück erzählt die Geschichte eines jungen Paars. Andrej ist Spitzenmusiker und möchte durch Europa reisen. Was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, das freie Bewegen innerhalb der Staaten des Schengener Abkommens, gestaltet sich für Andrej zu einem Problem. Gerade in der angespannten Situation, schient ein Visum unmöglich. Bezeichnend hierfür ist die Szene im Konsulat: eine Frau versucht dem „Bürokratieberg“ gerecht zu werden, um mit einem Chor nach Deutschland reisen zu können. Doch so sehr sie sich bemüht, irgendwo fehlt immer eine Unterschrift, ein richtiges Datum oder der entscheidende Stempel.

Politik mit Humor begegnen

Dmytro Ternovyi verarbeitet die Geschehnisse mit ins Surreale abkippendem Humor. Wenn sich Teekanne mit Tassen unterhalten oder Aktenordner und Stempel zu diskutieren beginnen, wird es kafkaesk. Backsteine des Maidan sprechen miteinander und wundern sich, was der ganze Trubel auf ihren Köpfen zu bedeuten hat, bis der erste von ihnen durch die Luft fliegt. Der Dramturg Micheal Gmaj erzählt im Autorengespräch von seien Erlebnissen auf dem Maidan: „Dort findet unheimlich viel Humor und Satire statt. Überall sind verkleidete Menschen und satirische T-Shirt-Aufdrucke zu sehen.“ „Humor ist eine Art mit den Dingen umzugehen, eine speziell ukrainische“, meint der Autor. Doch auch Gewalt wird in der anschließenden Diskussion zum Thema, so heißt beispielsweise ein Zuschauer die Gewalt der Protestierenden nicht gut: „Ich sehe die Bilder aus meiner Heimat und die Gewalt dort macht mich traurig“. Der Autor erwidert, dass erst viel passieren musste, bis Gewalt von den Protestierenden ausging. Die Forderung wurden einfach nicht erhört.

Beim anschließenden Autorengespräch:(v.r.n.l.) Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha (Direktorin des ZAK), Dmytro Ternovyi (Autor) mit Übersetzerin und Dramaturg Michael Gmaj
Beim anschließenden Autorengespräch:(v.r.n.l.) Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha (Direktorin des ZAK), Dmytro Ternovyi (Autor) mit Übersetzerin und Dramaturg Michael Gmaj

Ist Gewalt notwendig?

Als prägnantes Beispiel für die Art und Weise, wie Gewalt praktiziert wird, erzählt Ternovyi, wie die Fensterscheiben eines Rathauses eingeschmissen wurden, weil die Regierung unbeeindruckt von einem Ultimatum war. Am Tag darauf haben jedoch de gleichen Leute die Fensterscheiben des Rathauses wieder ersetzt. Die Gewalt sei für ihn insofern nachvollziehbar, als dass die Menschen nicht gehört werden. Leider ist der Weg der Gewalt, bei solchen Umwälzungen oft unumgänglich, da kein Machthaber seine Macht freiwillig aufgibt. Wie sich das Land weiterentwickelt sei überhaupt nicht abzusehen. „Das wichtigste ist das die Leute jetzt miteinander kommunizieren“ sagt Dmytro Ternovyi. Die Premiere des Stücks wird am 09. Juni 2014 im Badischen Staatstheater uraufgeführt.

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