Zwei Frauen haben das erste Wort

Am Freitag, 22. Februar 2013, starten die 17. Karlsruher Gespräche. International und interdisziplinär kommen sie daher – am Eröffnungsabend auch gerne streitbar, wie Amin Mir Falah beschreibt.

Tradition und Moderne stehen in unserer heutigen Gesellschaft im Widerspruch. „Unser Leben entrinnt uns, die Flüchtigkeit der Zeit fragmentiert unser Dasein in immer schnellere Episoden“, hat der Soziologie Zygmunt Bauman festgestellt. Die Kurzlebigkeit sozial-gesellschaftlicher Prozesse stellt die Menschen vor immer kurzfristigere Entscheidungen. Dabei bleibt kaum Zeit, traditionelle Wertvorstellungen zu berücksichtigen. Die fortschreitend globalisierende Moderne erschwert die Rückbesinnung auf herkömmliche Alltagsroutine.

Unter dem Motto „Zwischengesellschaft – Tradition und Moderne im Widerspruch“ finden vom 22. Bis 24. Februar 2013 die 17. Karlsruher Gespräche statt. Das Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale (ZAK) eröffnet die dreitägige Veranstaltung, die zahlreiche Vorträge, Diskussions- und Gesprächsrunden umfasst, am Freitag, den 22. Februar 2013, im SpardaEvent-Center um 19:30 Uhr.

Analytischer Diskurs ergänzt durch kulturelle Vielfalt

Angesehene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens aus aller Welt erörtern bei den Karlsruher Gesprächen Fragen nach der Beziehung zwischen Moderne und traditionellen Werten. Sie beschäftigten sich mit den dialektischen Kräften und Zerreißproben einer „Zwischengesellschaft“, die sich darum bemüht, Tradition und Moderne in Einklang zu bringen. Begleitend dazu bereichern literarische, filmische und dramaturgische Aufführungen von Schriftstellern und Regisseuren den analytischen Diskurs.

Die Rolle der „modernen“ Frau

Shinkai Karokhail und Alice Schwarzer zur Gast bei der 17. Karlsruher Gesprächen (Bild: ZAK)
Shinkai Karokhail und Alice Schwarzer zur Gast bei der 17. Karlsruher Gesprächen (Bild: ZAK)

Nach einleitenden Begrüßungsworten von Repräsentanten der Stadt und des ZAK wird am Eröffnungsabend die Journalistin, Schriftstellerin und aktive Frauenrechtlerin Alice Schwarzer – bekannt als Herausgeberin der Zeitschrift EMMA – das Rednerpult mit einem Beitrag zum Thema „Frauen zwischen Tradition und Moderne“ einweihen.

Anschließend berichtet Shinkai Karokhail, afghanische Parlamentsabgeordnete und Gründungsmitglied des Afghan Women’s Educational Center (AWEC), von ihren Erfahrungen als Feministin und der Frauenrolle in ihrem muslimischen Heimatland.

In Zeiten schwelender Sexismus-Debatten und Diskussionen um Frauenquoten bieten die beiden Aktivistinnen Einblicke in die Erfahrungen, Bemühungen und Wünsche der „modernen“ Frau im 21. Jahrhundert. Können wir in Europa eine tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter beobachten? Kann die Rolle der Frau in Ländern wie Deutschland als Vorbild für Frauenbewegungen außerhalb der westlichen Kultur dienen? Die Vorträge der beiden Rednerinnen wollen hierzu passende Antworten liefern.

Feurige Flamenco-Sounds

Der spanische Pianist David Bermudez begleitet den Abend musikalisch. Der in Barcelona geborene Klavierspieler hat sich als musikalischer Leiter der argentinischen Produktionsfirma RGB einen Namen in der Kunst des Flamenco-Piano gemacht. Seine einzigartigen Kompositionen verbinden die Leidenschaft des spanischen und latein-amerikanischen Flamencos mit den Klängen klassischer Piano-Musik.

Weitere Infos zum Eröffnungsabend gibt es auf der ZAK-Homepage. Eine Anmeldung (ebenfalls über die ZAK-Homepage) ist erforderlich.

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Emanzipation auf afghanisch

Afghanistan ist bis heute eine Männerdomäne: egal ob Wirtschaft, Politik oder alltägliches Leben. Nur wenige Frauen besitzen eine Schulbildung, von einem Studienabschluss gar zu schweigen. Shinkai Karokhail gehört zu den wenigen Ausnahmen. Am Eröffnungsabend der 17. Karlsruher Gespräche spricht sie über Frauen zwischen Tradition und Moderne. Maren Müller portraitiert die außergewöhnliche Afghanin.

Allein unter Männern (© 2010 Leslie Knott)
Allein unter Männern (© 2010 Leslie Knott)

Zurzeit ist sie Afghanische Parlamentsabgeordnete. Doch bis ins Parlament der Nationalversammlung war es ein langer Weg: Geboren ist Shinkai Karokhail in Chinar in der Provinz Kabul. Erzogen wurde sie unter traditionellen Werten. Von Beginn ihres Lebens an musste sie sich damit auseinandersetzen, dass Männer eine höhere Stellung in der Gesellschaft einnehmen sollten als Frauen. Diese traditionelle Erziehung konnte sie jedoch nicht davon abhalten, nach einer höheren Bildung und gesellschaftlichen Stellung zu streben.

Karokhail machte ihren Diplomabschluss in Englisch und wurde Ärztin. Sie glaubt daran, dass eine gute Ausbildung das wichtigste ist, um die Rolle der Frau in einer männerdominierten Welt zu stärken und die traditionellen Ansichten in Afghanistan zu ändern. Zudem ist sie der Meinung, dass Frauen durch eine höhere Bildung geholfen werden kann sich vor sexueller Gewalt schützen zu können.

Mit Bildung gegen Gewalt

1991 wurde das „Afghan Women’s Education Center“ (AWEC) in Islamabad gegründet. Karokhail gehört zu den Gründungsmitgliedern dieser Organisation. Ihre Mitstreiterinnen und sie wollten afghanischen Flüchtlingen, vor allem den Frauen darunter, in der Region um Islamabad helfen. Sie boten ihnen einen Treffpunkt und verschiedene Kurse, in denen sie den Frauen Lesen, Englisch, Umgang mit Computern, Schneidern aber auch vor allem ein Bewusstsein für ihre eigenen Rechte beibringen wollten. (Auf der Homepage des AWEC gibt viele Infos zu der Ziel- und Umsetzung)

Mit dem AWEC hatte Karokhail bereits ihr Vorhaben, den Frauen eine höhere Bildung zu ermöglichen erreicht. Doch damit sollte noch lange nicht Schluss sein. Ihre Vision sollte den Frauen nicht nur eine höhere Bildung sichern, sie wollte sie auch in die Gesellschaft integrieren und für politisches Engagement begeistern. Deswegen kandidierte sie 2005 selbst als Abgeordnete der Nationalversammlung und gewann. Neben ihrem Glauben daran, dass nur Änderungen der politischen Situation in Afghanistan die Lage der Frauen wirklich verbessern können, waren ihre weiblichen Freunde ihr eine große Unterstützung bei der Kandidatur. Doch gleichzeitig sprach ihr eigener Bruder nicht einmal mehr mit ihr.

Doch schon zu ihrer zweiten Kandidatur hat sich bereits in ihrer Familie und vor allem bei ihrem Bruder die Ansicht, dass eine Frau nicht in die Politik gehört, geändert. Ihr Bruder unterstützte sie dieses Mal, nachdem er bemerkt hatte, dass das gesamte Dorf hinter ihr stand. Er half ihr sogar bei der Wahlkampagne. Dieser Wandel im Denken ihres Bruders bestärkte sie noch weiter in ihrem Glauben, dass man die Meinungen der Menschen ändern kann.

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