Transparenz oder Freiheit

Durch Whistleblower wie Edward Snowden, wissen wir, dass es nicht gut um unsere informationelle Selbstbestimmung steht. Informationen verlassen Räume in denen sie zuvor eingesperrt waren. Wir bezahlen Bequemlichkeit  mit unseren Daten. Doch warum sind wir bereit Intimes und Privates an große Konzerne weiterzugeben? Was genau heißt Transparenz? Wo liegen die Grenzen und was muss eine Gesellschaft lernen, wenn wir mit Transparenz richtig umgehen wollen? Konstantin Maier fasst zusammen.

Es ist nicht immer leicht den Durchblick zu behalten (Bild: spex.de)
Es ist nicht immer leicht den Durchblick zu behalten (Bild: spex.de)

Bei der Frage was genau Transparenz bedeutet, ist zuerst klarzustellen, was für wen transparent sein soll. Transparenz kann sich beispielsweise auf Verwaltungsvorgänge beziehen. Warum trifft eine öffentliche Institution ihr Entscheidungen, nach welchen Kriterien handelt sie? Hierbei ist Transparenz etwas Positives, denn sie schafft Nachvollziehbarkeit. Anders sieht es allerdings aus, wenn es um den „gläsernen Menschen“ geht. In diesem Falle, wünscht der Bürger keine Transparenz, sondern fordert sein Recht auf Privatsphäre. Anders gesagt Freiheit, nämlich die Freiheit zur Selbstbestimmung.

Bei der Diskussion um Transparenz funktioniert die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht. Regierungskritiker behaupten es wäre nicht transparent, Bundestagssitzungen zu filmen und diese online zu stellen, da niemand was mit stundenlangen Sitzungen anfangen kann. Dieses Beispiel zeigt, dass Transparenz oft auch mit großen Datenbergen einhergeht.. Oftmals kann also erst die Interpretation und Auswertung der Daten zu Transparenz führen, doch geht das nicht zu weit. Sind wir nicht seit Kant selbstständig denkende Wesen und fähig uns unseres Verstandes zu bedienen?

Politik macht Transparenz zum Thema

Eine Partei, die wie keine zweite für Transparenz in der Politik steht sind die Piraten. So heißt es in den Leitsätzen der Piraten-Partei Kreisverband Karlsruhe :„Wir setzen uns für Transparenz in kommunalen Unternehmen, der Kommunalpolitik sowie der Verwaltung ein. Dazu gehört das Einführen einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung“. Damit gemeint ist ein Bürgerrecht zur öffentlichen Einsicht in Dokumente und Akten. Das Informationsfreiheitsgesetz könnte beispielsweise  Ã„mter und Behörden verpflichten, ihre Akten zugänglich zu machen. Doch in Baden-Württemberg lehnte der Landtag einen entsprechenden Antrag 2005 ab. Aus der heutigen Sicht muss man fragen, warum? Steht Karlsruhe nicht mit dem Sitz des Bundesverfassungsgerichtes für die Wahrung der Freiheit des Bürgers?

Demokratie in Gefahr?

„Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr. Deshalb müssen unsere demokratischen Grundrechte in der virtuellen Welt ebenso durchgesetzt werden wie in der realen.“ Diese Kernaussage ist Teil des Protesttextes „Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“ gegen die Überwachung der NSA. 562 Schriftsteller aus aller Welt haben ihn unterzeichnet, unter anderem Elfriede Jelinek, Daniel Kehlmann und Umberto Eco. Die Autorin und Initiatorin des Protests, Juli Zeh, betont in einem Spiegel-Interview, im Text darauf verzichtet zu haben, explizit Schuldige zu nennen. Dennoch wurde der Text von amerikanischen Zeitungen („New York Times“ und „Washington Post“) als „zu provokativ“ eingestuft und nicht veröffentlicht. Reale und virtuelle Welt werden in dem obigen Zitat auf eine Stufe gestellt. Oft wird das Internet in einem flachen Licht gesehen, als „rechtsfreier Raum“. Doch so rechtsfrei sei das Internet nicht, sagen Experten. Allein wenn man sich das größte Social Network Facebook betrachtet: Rund 800 Millionen. Nutzer müssen den Regeländerungen und permanenten Datenschutz-Lockerungen zustimmen. Der Nutzer unterwirft sich einem Regelsystem.

In dem Beispiel Facebook zeigt sich die Janusköpfigkeit des Internets: Denn so schnell wie wir an Daten und Informationen herankommen, so schnell gibt man die eigenen Preis. Das Argument der Überwachungsgegner: Wer ständig das Gefühl hat, der Staat hört mit, wird sich weniger frei äußern. Das Argument der Befürworter: Gerade im Internet werden Kriminalität und Terror organisiert – der Staat muss wissen, was dort vor sich geht, um seine Bürger zu schützen. Ob der Bürger allerdings seine Daten freiwillig preisgibt oder sie von jemandem abgegriffen werden, ist ein himmelweiter Unterschied. Ob ich mich selbst in der Toilette einschließe oder eingeschlossen werde ist auch technisch gesehen das Selbe, es fühlt sich allerdings völlig anders an. Und vielleicht sollte man sich bei der Diskussion die Worte Benjamin Franklins vorhalten: „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

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The never Ending Story: Deutschland und das Internet

Vorratsdatenspeicherung, NSA-Affäre, Datenklau: Internetthemen spielen aktuell in Politik und Medien eine große Rolle. Doch sind die Themen für den deutschen Bürger überhaupt von Belang? Robert Zetzsche fasst zusammen.

Endlose Weiten: Die Datenautobahn und ihre Auswirkung (Foto: Markus Vogelbacher/pixelio.de)
Endlose Weiten: Die Datenautobahn und ihre Auswirkung (Foto: Markus Vogelbacher/pixelio.de)

Bereits die erste Woche des Jahres 2014 ist gespickt mit Meldungen über das Internet: Sei es der Untersuchungsausschuss zum Thema NSA, das Stoppen des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung, die Veröffentlichung von 4,6 Millionen Namen und Mobilfunknummern von Snapchat-Nutzern und der flächendeckende Zugriff auf Breitband-Internet (zumindest laut Bundesnetzagentur). Das Internet wird von jedem benutzt, ein Leben ohne scheinbar nicht mehr denkbar und Probleme rund um das Netz nehmen zu.

Internet im Kopf

Umso erstaunlicher ist es, dass diese hoch brisante Thematik mit all ihren teils menschenrechtsverletzenden Ausprägungen nach wie vor in sehr wenigen Köpfen eine Rolle spielt. Kaum Demonstrationen zu heiklen Internet-Themen. Im Gegensatz dazu polarisiert etwa Stuttgart 21 ganz Baden-Württemberg. Viele Monatelang protestierten die Stuttgarter und erwirkten sogar eine Volksabstimmung über das Projekt. Zusammen mit der Atomkatastrophe Fukushima brachte dieses Thema einen gesamten Landtag zum kippen. Eine Auswirkung der NSA-Affäre auf die Bundestagswahl 2013? Fehlanzeige. Täglich wird in die Privatsphäre von Menschen im Internet eingegriffen, sei es durch den Generalverdacht bei der Vorratsdatenspeicherung, bei der Abhörung durch Geheimdienste oder dem fahrlässigen Umgang mit Nutzerdaten durch Internetfirmen. Ist dies dem Bürger völlig egal?

Fehlende Sensibilisierung

Die Bundesregierung äußert sich geschickt oder gar nicht zu Internet-Themen. Es fehlt etwa ein klares Statement zur Drosselvorhaben der Telekom und der damit verbundenen Gefährdung der Netzneutralität. Die NSA-Affäre wird vorerst lieber ganz ausgesetzt, bis die Bundeskanzlerin selbst betroffen ist. Doch es kreisen täglich Millionen von privaten Informationen durch das Netz, teilweise ohne Wissen der jeweils Betroffenen. Gleichzeitig geht die Technisierung und Globalisierung in den nächsten Jahren nicht zurück sondern steigt in unübersichtliche Dimensionen. Daher ist es die Pflicht und das Recht eines jeden Betroffenen diese Missstände anzuprangern und sich für die Menschenrechte einzusetzen. Ein spezifischer Datenschutz auf deutschen Boden existiert auf Grund der Globalisierung nämlich nicht. Wer das Internet täglich nutzt, sollte auch verstehen was dahintersteckt und wie es funktioniert. Oder fährt man gern ein Auto ohne zu wissen wie Autofahren funktioniert? Dabei geht es nicht um den Status des rechtsfreien Raumes, sondern um die wichtigsten Rechte eines jeden Menschen, den Menschenrechten. (GG Art. 1 Abs. 2)


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Das World Wide Web wird wolkig

Im Jahr 2011 war die Zukunft des Internets noch schwer einzuschätzen. Das änderte sich jedoch, als die Wolke – das neue Internet – den Platz des alten Netzes einnahm… Ein utopisches Feature von Steven Colling.

Zentral

Karlsruhe Jahr 2025: Owen saß schon eine Weile im Verhörzimmer der Polizei. Cyberkriminalität ist kein Kavaliersdelikt mehr, falls es das jemals war. Etliche Länder haben das Abkommen unterschrieben, das Recht auf geistiges Eigentum noch stärker zu schützen und Verletzungen weltweit zu ahnden. Owen wurde vorgeworfen, Musik für viele Menschen illegal verfügbar zu machen. Er entriss der elektrisch aufgeladenen Wolke die Geistesblitze vieler Künstler, die zuvor von anderen Mitschuldigen gesammelt wurden und schleuderte sie hinaus, zurück in die Wolke. Dort schlugen sie nicht nur in viele Geräte ein, sondern auch in die Blitzableiter der Behörden.

Die Zukunft liegt in den Wolken: Cloud Computing (Quelle: pixelio.de)
Die Zukunft liegt in den Wolken: Cloud Computing (Quelle: pixelio.de)

Die Wolke ist der virtuelle Raum, die den Begriff des Internets ersetzte. Die Zeit statischer Webseiten ist längst vorbei. Wissen ist nunmehr ein Strom, der durch Anwendungen auf mobilen Geräten oder heimischen Computern kanalisiert wird. Man sucht nicht mehr nach Webseiten, sondern konkret nach Informationsfetzen, die in der Wolke umherfliegen. Dabei fliegen die Suchenden selbst als Bestandteile der Wolke mit. Viele Anbieter haben sich darauf spezialisiert, in Echtzeit diese Informationen zu sammeln und zu vernetzen. Dabei stellen sie Gefundenes in den Zusammenhang mit dem Suchenden: Ein Avatar, dass seine Vorlieben, Angewohnheiten und früheren Taten repräsentiert, ist nicht mehr in den Datenbanken verschiedener Anbieter zerstreut. Stattdessen ist es als Ganzes in der Wolke enthalten. Unternehmen interagieren mit dem Avatar und erfahren so, was der Suchende wissen will. Alles wird unmittelbar aktualisiert.

Global

Sein Smartphone musste Owen bereits abgeben, nicht, weil es für eine Untersuchung besonders relevant wäre. Sein mobiles Gerät hat nur geringen Speicher. Die Polizei verhindert, dass er nicht in der Wolke Spuren verwischt. Verwischen in Form von falschen Fährten wäre noch möglich, Informationen aus der Wolke zu entfernen ist dagegen unmöglich. Seine Kontakte werden aus vergangener Kommunikation wiederhergestellt. Er hatte mit einem Freund über die illegale Beschaffung der Musik gesprochen und ist dabei unvorsichtig vorgegangen. Die Verbindung zwischen Owen und seinem Komplizen ist für immer enthalten. Der Polizei stehen Mittel zur Verfügung, in Teile der Wolke vorzudringen, die anderen vorenthalten bleiben.

Die Daten, aus denen die Wolke besteht, sind auf viele Server verteilt. Die Server spiegeln sich gegenseitig. Dasselbe Datum ist auf vielen physischen Speichern gleichzeitig. Auch der lokale Speicher ist nicht mehr nur lokal, sondern wird mit einem Abbild aus der Wolke synchronisiert. Das Laptop, das Smartphone und der Heimcomputer laden den aktuellen Stand herunter. Das Betriebssystem der Geräte warnt, wenn Konflikte entstehen – etwa weil mehrere Geräte auf dieselben Daten zugreifen. Ist kein Internet vorhanden, so wird die Synchronisation später nachgeholt. Viele Geräte haben aber nicht genug Speicher – ohne die Wolke sind sie sinnlos. Ihr einziger Zweck besteht darin, Benutzereingaben in die Wolke zu senden und deren Antworten auf dem Bildschirm anzuzeigen.

Virtuell

Ein Beamter betritt den Raum und setzt sich Owen gegenüber, der sichtlich nervös ist. „Dir ist klar, um was es hier geht?“, fragt er. „Man wird dich einige Zeit von der Wolke ausschließen!“ „Aber was ist mit der Schule, woher soll ich wissen, was ich in der Prüfung zu schreiben habe?“, erwidert Owen. „Das hättest du dir vorher überlegen müssen“, antwortet der Beamte selbstgefällig.

Wie soll Owen denken ohne Wolke? Sie ist schließlich zu einem großen Brei Wissen geworden, den es zu durchwühlen gilt. Das Gedächtnis des Menschen wurde zum großen Teil dorthin ausgelagert. Simple Sachverhalte werden nicht mehr gelernt, sondern einfach abgerufen. Der Lehrer zeigt, wo man die Information findet. In der Prüfung sitzen die Schüler fleißig an ihren Smartphones und Laptops, begeben sich auf die Suche in der Wolke oder durchsuchen die mühevoll vom Schulfreund kopierten Verknüpfungen zu den wichtigsten Daten. Ein Schüler, der von der Wolke ausgeschlossen wurde, muss auf die alten Mittel zurückgreifen: er darf Bücher mit in die Prüfungen nehmen.

Verantwortungsbewusst

Doch im Verhörraum stehen noch weitere Personen. Eine kleine Gruppe Jugendlicher schauen Owen und dem Beamten zu. Das Verhör ist nur gestellt, um den Schülern etwas Wichtiges zu zeigen: Internet war und ist keine Erscheinung, sondern ein Medium.

Solche Ausflüge sind Pflicht und gehören zum Schulfach Medienverantwortung. Alle verlassen nun den Raum. Die nächste Station ist das Labor, in dem wichtige Daten aus der Wolke gewonnen werden.

Das Auftreten in der Wolke ist den Menschen ebenso vertraut, wie das Auftreten in der Öffentlichkeit, etwa in einem Restaurant oder an einem Bahnhof. Die äußere Schicht der Wolke, in der sich der durchschnittliche Nutzer bewegt, kontrolliert die Behörde. Jeder Benutzer hat die Macht über sein Auftreten, sein zentrales Avatar. Es gilt, dieses Avatar nur mit diesen Informationen zu versehen, die man preisgeben will. Die Gesellschaft passt sich an ihr eigenes Produkt.

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