Dummheit und andere Folgen

Der zweite Tag der 15. Karlsruher Gespräche knüpft in Sachen Brisanz und Tagesaktualität nahtlos an den ersten an. Zahlreiche namhafte Referenten widmen sich derzeitigen Kontroversen und schildern ihren Blick auf bestimmte Seiten des Web 2.0. Nach der Begrüßung durch Caroline Robertson-von Throta, Direktorin des Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Bernd Bechtold, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe um 9.30 Uhr im Saal Baden der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe geht es ins Symposium.

Den Einstieg bereitet Reima Suomi von der Turku School of Economics mit einem Vortrag über Social Networks und ihren Einfluss auf die Offline-Welt. Im Anschluss daran lädt uns Geert Lovink ein, kritischer mit der Suchmaschine Google umzugehen – „Hör auf zu suchen, fang an zu fragen!“ lautet seine Aufforderung. Der Dozent der European Graduate School in Saas-Fe und Netzaktivist nahm unter anderem im letzten Mai an einem „Facebook Exodus“ teil und löschte seinen Account beim größten Social Network.

Macht Google uns zu dummen Menschen?

Das ist die Kernfrage des Vortrags von David Nicholas. Genauer geht es um eine ganze Generation, die das Denken verlernt haben soll. Sind wir, die Angehörigen der „Google-Generation“, wirklich nur „verdummte oberflächliche Informationskonsumenten“?

Gefahren aus dem Netz

Ein weiteres Thema, das auch in den Medien derzeit große Beachtung findet, sind kriminelle Machenschaften über das Internet. Vor allem Kinder wissen oft zu wenig über die Gefahren, die im Netz lauern. Dazu äußert sich Catarina Katzer, Medienpsychologin aus Köln mit den Schwerpunktthemen Cyberpsychologie, Medien- und Jugendforschung. Katzer gehört zu den führenden Forschern Europas auf dem Gebiet des sogenannten „Cyberbullying“.

„Big Brother trifft auf den Herrn der Fliegen“

Den Abschluss vor der Mittagspause bildet Richard Harknett aus den USA mit einem Vortrag zum Thema „Cybersecurity als internationale Aufgabe: Big Brother trifft auf den Herrn der Fliegen“. Der Eintritt zu sämtlichen Veranstaltungen ist frei, eine Anmeldung ist erwünscht.

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Der gläserne Mensch

Wer, wann und wo ist, welche Partys besucht, welche Liebschaften hat – Social Networks machen aus Internetnutzern leuchtende Litfasssäulen. Datenschutz? Das war gestern, heute gibt es Facebook! Nicole Hils über ihre ganz persönliche Entblößung.

„Hey, melde dich doch bei Facebook an, StudiVZ ist doch out“, sagte eine Freundin im vergangenen Jahr zu mir. Na gut, dachte ich, viel anstrengender kann es im anderen Portal nicht werden und wenn sich alle meine Freunde bei StudiVZ abmelden, verliere ich sie nachher noch ganz aus den Augen und erkenne sie im realen Leben nicht wieder.

Gesagt, getan, ich legte mir bei dem nun schon sechs Jahre alten Facebook eine Profilseite an. Bereits bei StudiVZ und wer kennt wen war ich nur halbherzig bei der Sache. Schon dort wurde ich von Menschen zugespamt, denen ich auf der Straße noch nicht einmal „Hallo“ sagen würde. Ach, ich würde grad die Straßenseite wechseln.

Diesen Menschen wollte ich den Gefallen nicht tun, ihre sowieso schon monströse Freundesliste mit mir noch zu vergrößern. Bei rund 500 virtuellen „Freunden“ kommt es auf den einen mehr oder weniger auch nicht an.

Glitzernde Zeitfressmaschine

Anfangs konnte und wollte ich überhaupt nichts mit dem Portal Facebook, das nach eigenen Angaben 500 Millionen Nutzer hat, anfangen: Apps, persönliche Landkarten (damit jeder weiß wo ich schon mal war), Smileys, Farms, Quizze. Kurz und gut: Eine Überfülle an unnützem Zeug erschlug mich nahezu. Toll, dachte ich. Ein Internetprogramm für Leute, die einfach zu viel Zeit haben. Also „legte“ ich es mal auf die Seite.

Sind wir nicht alle Freunde von Freunden von Freunden?
Sind wir nicht alle Freunde von Freunden von Freunden?

Bis ich wie aus heiterem Himmel die Nachricht erhielt: „Maria Gonzalez möchte mit dir auf Facebook befreundet sein.“ Wow! Meine alte Brieffreundin aus dem spanischen La Coruña hatte mich gefunden! Seither haben wir den eingeschlafenen Kontakt wieder aufgefrischt. Doch eine gute Sache dieses Facebook?!

Plattform der Detektive und Agenten

Ja, vor allem wenn man selbst ein bisschen Sherlock Holmes spielen will. Was machen denn die Leute so, die ich nicht ausstehen kann? Zum Beispiel Barbara, eine ehemals beste Freundin? Nach zwei Sekunden habe ich ihr Profil auf meinem Bildschirm. Aha, interessant: Bilder vom letzten Italien-Urlaub, Schnappschüsse von ihrer Miezekatze. Barbara hat sich „für Veranstaltungen eingetragen.“ Oha, am Wochenende geht sie also zum Rockabilly Konzert.

Erschreckend aber zugleich erstaunlich, wie sich manche mitteilen müssen, aber gut, ich geh schon mal nicht zum Konzert. Dürfte ich überhaupt dort hin, obwohl ich mich nicht für die Veranstaltung angemeldet habe?

Freunde und Freundes Freunde

Plötzlich schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: Wenn ich stalken kann, dann kann auch ich gestalkt werden. Ich sehe mich bildlich im Glashaus gefangen. So schnell es geht klicke ich mich durch die Privatsphäre-Einstellungen. „Wer darf was sehen?“ fragt mich das Programm. Alle, Freunde und Freunde meiner Freunde oder nur Freunde? Klare Sache: Nur Freunde, und die werden schon genauestens selektiert und sorgfältig ausgewählt.

Aber ich gehe ganz auf Nummer sicher. Eine gute Freundin hat sich kürzlich auf Facebook angemeldet. Virtuell waren wir noch nicht miteinander befreundet. Wir haben uns bei ihr eingeloggt, und nachgeschaut, was jetzt wirklich noch von meinem Profil zu sehen war. Ich war zufrieden: Name, Bild, Geschlecht. Das kann von mir aus jeder wissen.

Noch in der gleichen Woche fragte mich ein neuer Kommilitone, ob ich den wirklich Fußball-Fan wäre. Schade, dass ich die Privatsphäre-Einstellungen nicht von vornherein geändert habe. Obwohl ich nichts zu verheimlichen habe und ich nicht viel von mir preisgebe, ist es ein ungutes Gefühl in einem von Millionen kleinen Glashäuschen zu sitzen.

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Aus dem Netz gegangen

Aufs Internet verzichten? Ist das möglich? Evelin Kessel wagt den Selbstversuch und stürzt sich ins reale Leben – eine Woche lang offline.

Social Networking, Blogging, Instant Messaging, Online-Shopping und -Banking – aus dem einfachen Kommunikationsmedium Internet ist das Netz der unbegrenzten Möglichkeiten geworden. Ein Leben ohne Web? Unvorstellbar. Wer will schon als Steinzeitmensch abgestempelt werden. Vor allem als Student ist der Gedanke, so den Studienalltag zu bestreiten, geradezu absurd, denn der Großteil des studentischen Lebens spielt sich online ab.

Eine Woche offline - der Bildschirm bleibt schwarz
Eine Woche offline - der Bildschirm bleibt schwarz

Doch sind wir – egal ob Student oder nicht – wirklich abhängig vom Web 2.0? Ich wage den Versuch und werfe mich ins Haifischbecken des realen Lebens, fern von jedem Internetzugang.

Dienstag – Vorbereitungen

Alles in allem würde ich mich als Vielnutzer des Internets bezeichnen. Ich bin in sozialen Netzwerken vertreten, schreibe E-Mails, tätige Einkäufe über das Internet und verwende es als tägliche Nachrichtenquelle – bis jetzt. Ganz unvorbereitet will ich meinen Selbstversuch dann aber doch nicht starten. Als Antwort auf E-Mails erhalten die Absender eine Abwesenheitsnotiz. Und unter „Was machst du gerade?“ können meine Bekannten im größten Social Network nun lesen, was ich vorhabe – ich hinterlasse allen die Nachricht, dass ich „nicht aus der Welt – nur für eine Woche nicht mehr online“ bin. Und klicke auf „Abmelden“.

Mittwoch – Der Selbstversuch beginnt

Der Zeitpunkt ist nun wirklich nicht der geschickteste. Es ist November und das Wetter gibt sich Mühe, dem schlechten Ruf des Monats alle Ehre zu machen. Zu allem Übel beginnt meine Internetfreie Woche um acht Uhr früh mit einer Java-Übung. Da ich weder den Skripten im Netz folgen, noch das Übungsblatt per E-Mail an die Übungsleiterin senden kann, gebe ich vorher Bescheid. Der Grund für meine Arbeitsverweigerung erscheint der Tutorin sichtlich etwas ungewöhnlich, jedoch zeigt sie Verständnis und sucht gemeinsam mit mir nach einer Notlösung.

Donnerstag – Viel Wind um nichts?

Die besteht darin, jemanden anderes darum zu bitten, meine Übungsaufgaben abzuschicken. Ohne fremde Hilfe bin ich also doch ein wenig vom allgemeinen Betrieb ausgeschlossen. Und auf das Übungsblatt und die dazugehörigen Punkte möchte ich nicht verzichten. Das ist mir doch ein wenig zu heikel – wer weiß, wie gut man die Punkte am Ende doch noch brauchen kann. Die Reaktionen meiner Mitmenschen auf den Selbstversuch sind höchst unterschiedlich – die einen packt die Schadenfreude, andere haben richtig Mitleid mit mir. Viele verstehen nicht, was daran das Drama sein soll. Zu letzteren scheine mittlerweile auch ich zu gehören.

Freitag – Zurück zu den Wurzeln

Während mein Bedürfnis nach der endlosen Weite des Internets kleiner wird, nähern sich ihr die Ausmaße meiner Handyrechnung. Die kommt nicht zustande durch stundenlanges Rumsurfen oder das Herunterladen von „Apps“ – viel mehr sind es die Funktionen, für die das Handy anfangs eigentlich gedacht war: Kontakt zu Freunden, Verwandten und Bekannten halten, in Form von Anrufen und Kurzmitteilungen. Mein Smartphone nur zum Telefonieren und SMS schreiben. Fast schon schade um das schöne Ding, das doch so viel mehr kann – wenn es darf.

Samstag – Gute Vorsätze und wie man sie einhält

Der größte Gewinn des Experiments zeigt sich währenddessen bereits sehr früh. Denn mit der neu gewonnenen Zeit lässt sich so einiges anstellen. Wie viele Dinge würde man so gerne tun, wenn die Zeit dafür da wäre: Ein paar Minuten weniger vor dem Computerbildschirm machen’s möglich, und zumindest der Anfang ist getan. Bei mir wartet ein beträchtlicher Stapel Bücher darauf, gelesen zu werden – und wird es auch.

Sonntag – Im Regen stehen gelassen

Woran es mir mangelt, seit ich aus dem Netz gegangen bin, merke ich ebenfalls mehr als schnell. Anders als gewöhnlich mache ich mich „auf gut Glück“ auf den Weg zur Straßenbahn, ohne die Fahrplanauskunft vorher nach den Abfahrtszeiten zu befragen. Kein Problem wenn man täglich dieselbe Strecke fährt. Muss es aber eine andere Linie sein, steht man doch ganz schnell im Regen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Ganze 20 Minuten stehe ich an der Haltestelle, warte auf die Bahn und – aussichtsloserweise – auf besseres Wetter.

Montag – Advent, Advent…

Noch brennen die Lichtlein nicht, trotzdem fühle ich mich zurückversetzt in die Adventszeit meiner Kindheit. Mein „Internetverbot“ hilft mir dabei, etwas Tempo aus der allgemeinen Betriebsamkeit des Lebens zu nehmen. Keine Überflutung mit Datenmüll und Dingen, die sowieso niemand sehen will. Kein Bedürfnis, anderen mitzuteilen wo ich gerade bin und was ich mache.  Selbst inmitten des Rechenzentrums der Universität zwischen Rechnern und Computerliebhabern  fühle ich mich nicht ausgeschlossen, sondern schon fast befreit vom Zwang, immer auf dem neuesten Stand sein zu müssen.

Dienstag – Der letzte Abend offline

Mein Experiment neigt sich dem Ende zu, ebenso wie – trotz aller Vorteile – meine Geduld. Das Klischee, dass der Mensch immer bequemer wird, scheine ich zu erfüllen. Ein Alltag ohne Internet ist vieles, jedoch nicht komfortabler. Zwar spielt sich das wahre Leben immer noch offline ab, mit vielen kleinen Dingen kann das Internet das Leben einfacher machen. Gerade als Student weiß man um den Luxus und die Macht des World Wide Web – denn ohne bleibt man oft außen vor. Seien es Skripte oder Benachrichtigungen über den Ausfall einer Veranstaltung, Vorlesungsmaterialien oder Notenlisten – informiert ist nur, wer regelmäßig im Netz unterwegs ist.

Mittwoch – Resozialisierung?

Ganz unspektakulär geht der erste Tag „online“ von statten. Zwar befinden sich zig Mails in meinem Postfach, verpasst habe ich aber trotzdem nichts, was von größerer Relevanz wäre. Eine Woche offline reicht auch nicht aus, um den Faden zu verlieren. Zurück bleibt die Erkenntnis, dass eine Pause vom Trubel im Netz durchaus gut tun kann. Warum nicht einmal gedruckte Nachrichten in der Zeitung lesen? Zum Einkaufen gibt es in jeder Stadt Geschäfte und um wirklichen Kontakt mit Freunden zu halten, eignen sich Telefonate besser als die Social Networks. Also, öfter mal auf „Abmelden“ klicken und das Internet Internet sein lassen – verpassen wird man so schnell nichts.

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