Bruttonationalglück im Himalayastaat

Beim Symposium am 23. Februar 2013 erhielten die zahlreichen Besucher der 17. Karlsruher Gespräche einen Einblick in die Geschichte und die aktuellen Entwicklungen von Bhutan. In ihrem Beitrag „Kulturerbe zwischen Tradition und Moderne“ stellte Professorin Susanne von der Heide Bhutans ungewöhnlichen Weg zur Bewahrung seiner kulturellen Traditionen vor. Ein Nachbericht von Irina Brombacher.

Prof. Susanne von der Heide bei den 17. Karlsruher Gesprächen (Bild: ZAK)
Prof. Susanne von der Heide bei den 17. Karlsruher Gesprächen (Bild: ZAK)

Die Kulturwissenschaftlerin begann ihren Vortrag mit einem Überblick über die Dynastie des bhutanischen Königshauses und dessen Entwicklung zu einer konstitutionellen Monarchie unter König Jigme Singye Wangchuk. Als dieser im Jahr 2006 zurück trat, übernahm sein Sohn Jigme Khesar Namgyel Wangchuk im Alter von gerade mal 26 Jahren das Amt. Als fünfter Drachenkönig trieb er den Demokratisierungsprozess weiter voran. Die ersten Parlamentswahlen des Landes fanden im März 2008 nach dem Prinzip des britischen Wahlsystems statt.

Ziel ist das nationale Glück

Eine politische Besonderheit des asiatischen Landes stellt die staatliche „Kommission für das Bruttonationalglück“ dar. Mit dieser soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Wirtschaftspolitik Bhutans buddhistischen Werten wie Mitgefühl und Selbstlosigkeit, sowie dem Erhalt des Kulturerbes unterordnet. Das politische Handeln ist demnach nicht auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet. Vielmehr wird alles daran gesetzt, um die Harmonie von Tradition und Umwelt aufrechtzuerhalten und das seelische Wohlbefinden der Bhutaner zu gewährleisten.

Aus Angst vor einer Verflachung der konventionellen Gebräuche und Sitten isolierte sich Bhutan sowohl wirtschaftlich als auch kulturell von der restlichen Welt. Erst in den letzten Jahrzehnten öffnete sich die Regierung langsam der modernen Technik und Lebensart. So wurde Fernsehen und Internet 1999, Mobiltelefon 2004 offiziell eingeführt und auch dem Tourismus gewährt man heute in kleinen Schritten Einlass.

Gleichzeitig ergriff der Staat zahlreiche Maßnahmen zur Sicherung des Kulturguts. Ein Beispiel hierfür ist die Errichtung einer Schule für ausschließlich traditionelle Handwerksberufe wie Stoffmalerei, Webhandwerk oder Holzschnitzerei. Auch ist es per Gesetz vorgeschrieben, dass neu gebaute Häuser mit den tradierten buddhistischen Mustern und Motiven zu verzieren sind. Ebenso ist es Pflicht beim Betreten von Tempeln, Regierungsgebäuden und Dzongs (historische Klosterfestungen) die traditionellen Gewänder zu tragen.

Bhutan will nicht auf die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO

Das Tigernest-Kloster über dem Paro-Tal in Bhutan (Bild: asien-news.de)
Das Tigernest-Kloster über dem Paro-Tal in Bhutan (Bild: asien-news.de)

So sehr sich Bhutan auch bemüht, das Jahrhunderte alte Kulturgut geht jedoch verloren: Brände zerstörten bereits einige der bedeutendsten Tempelanlagen des Landes – darunter auch das „Tigernest“, eine berühmte Klosteranlage in den Felswänden des Himalayas und gleichzeitig eines der bhutanischen Wahrzeichen. Um Bauten oder Gemälde von derart hohem kunsthistorischem und kulturellem Wert besser zu schützen, wollte die UNESCO diese auf ihre Liste des Weltkulturerbes setzen, doch die bhutanische Regierung lehnte ab.

Dies hat zwei Gründe, wie die Himalaja-Expertin von der Heide erklärt. Zum einen liege es an den Lehren des Buddhismus nach denen die Bhutaner leben und welche sie bei all ihren Entscheidungen berücksichtigen. Nach der buddhistischen Tradition ist nichts für die Ewigkeit geschaffen, Altes soll erneuert und nicht restauriert werden. Diese Ansicht steht dem Prinzip der UNESCO, historisches Kulturgut auch durch Restauration zu erhalten, gegenüber. Zum anderen befürchte man in Bhutan, dass die eigene Entscheidungsfreiheit bei einem Vertrag mit der UNESCO erheblich eingeschränkt werde.

Bei ihrem Vortrag nahm die Kulturwissenschaftlerin ihre Zuhörer mit in eine Welt, die sich für das Publikum wunderbar fremd und geheimnisvoll darstellt. Die faszinierenden Bilder von prächtigen Tempeln, Menschen in farbenfrohen Gewändern und unberührter Natur erwecken den Eindruck, dass in Bhutan die Zeit still steht. Doch der Schein trügt, das letzte buddhistische Königreich des Himalajas hat die Schwelle zur Moderne bereits überschritten. Nun ist die Hoffnung da, dass es Bhutan gelingt einen Weg zu finden, seine kulturelle Identität im Einklang mit neuzeitlichem Fortschritt zu bewahren.

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Ein Kommentar zu “Bruttonationalglück im Himalayastaat

  1. Ich finde es gut, dass die Kultur derart geschützt wird, doch finde ich, sollte man der Moderne auch ein wenig Freiraum gewähren. Meiner Meinung nach macht es Bhutan genau richtig!

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