Wo ist sie hin, die Zeit?

Stunden, Minuten, Sekunden –Zeit ist heute ein Luxusgut. Nach dem Motto Time is Money scheint unsere Gesellschaft nur darauf bedacht, Zeit einzusparen, Zeit effektiv zu nutzen und vor allem keine Zeit zu verlieren. Doch gewinnen wir durch diese immer schneller werdende Lebensart wirklich an Zeit? Oder wird uns die Zeit irgendwann überholen? Sarah Müller kommentiert.

Tick-tack, Tick-tack: die Zeit läuft und wir hinterher (Bild: Dominik Heggemann/ pixelio.de)
Tick-tack, Tick-tack: die Zeit läuft und wir hinterher (Bild: Dominik Heggemann/ pixelio.de)

Der deutsche Soziologe und Beschleunigungstheoretiker Hartmut Rosa von der Universität Jena behauptet in der Wissenschaftsdoku „Beschleunigte Welt“: „Alle relevanten technischen Erfindungen dienen dem Zeitsparen“. In der Arbeit wird der Informationsaustausch durch E-Mail-Verkehr und High Speed Internet unglaublich vereinfacht. Doch gerät man dadurch auch unter Druck immer schneller auf sie zu reagieren. Die ständige Erreichbarkeit verbietet Pausen, sonst gerät der Arbeitsprozess ins Stocken. Burnout kann die Folge sein.

Schnell von A nach B

Beim Reisen ist es ähnlich. Wir wollen so schnell wie möglich von einem Ort zum anderen gelangen und dabei keine Zeit vergeuden. Die Technik ermöglicht die Fahrt mit High Speed Zügen. Mit dem Flugzeug überquert man in kürzester Zeit den Ozean. In Zukunft soll es sogar möglich sein, in 90 Minuten von Europa nach Australien zu fliegen. Doch die Beschleunigung hat Grenzen. Der menschliche Körper hält physisch nicht allen Geschwindigkeiten stand. Deshalb setzen die Innovationen im Transportbereich vor allem auf die Optimierung von Reisezeiten. Die Reduktion der Wartezeit ist die neue Beschleunigung.

Der beschleunigte Alltag

Das Leben scheint sich in allen Bereichen zu beschleunigen. Wir sprechen sogar von Fast Food und Speed Dating. Nicht nur im Arbeits- und Technikbereich, sondern auch im Alltag, bei der Nahrungsaufnahme und bei der Partnersuche wollen wir alles schneller und effizienter. Warten ist dem Menschen ein Graus. Schon bei Jugendlichen ist es ein Muss Mitglied in sozialen Netzwerken zu sein. Um mit anderen mitzuhalten und nicht aus dem sozialen Umfeld ausgegrenzt zu werden, muss regelmäßig der Facebookstatus aktualisiert werden.

Die Zwangsentschleunigung

An der Kasse im Supermarkt Schlange zu stehen, zu warten oder gar offline zu sein, führt beim modernen Menschen zu einem unangenehmen Gefühl. Wir denken, jeden Moment etwas Wichtiges zu verpassen. Wir sind rastlos. Wir wollen nicht stehen bleiben, wir wollen weiter, immer vorwärts. Stillstand ist wohl das größte Übel unserer Zeit. Ungewollte und nicht eingeplante Zeiteinbußen, das Warten, führt zu einer Zwangsentschleunigung. Wir werden gegen unseren Willen ausgebremst und fühlen uns unserer kostbaren Zeit beraubt. Die High Speed Society verspricht, dass alles schneller geht. Doch wir haben durch die Beschleunigung nur Angst, Zeit zu verlieren.

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