Zwischen Himmel und Erde sind wir

Daniel Domscheit-Berg und Andrew Keen sind nicht die einzigen, die sich über den Sinn und Zweck des Internets uneinig sind. Auf der einen Seite stehen Kinderpornographie und Kreditkartenklau, auf der anderen Seite Solidarisierung und Aktivismus. Die Frage: „Internet. Gut oder böse?“ ist nicht so leicht zu beantworten.

Der Konflikt ist alt wie die Menschheit. Schon in frühzeitlichen Mythen und Religionen kämpfte das Gute gegen das Böse um die Vorherrschaft. Wenn man sich diese verstaubten Geschichten ansieht und das Internet daneben stellt, haben die beiden im ersten Moment nichts gemeinsam.

Stümper und Gutmenschen regieren das Web

Aber letztendlich läuft es immer wieder auf dasselbe hinaus. Auch das Internet stellt hier keine Ausnahme dar, wie man in vielen Diskussionen immer wieder feststellen kann. Domscheit-Berg ist überzeugt, dass das Internet Freiheiten schafft und dem Bürger die Chance gibt, zu lernen und mündig zu werden. Auf diese Lobeshymne folgt jedoch schnell Keens Konter: „Du bist zu optimistisch, was die menschliche Natur betrifft.“ Er hat Angst, dass das Netz von Stümpern regiert wird und die Menschen verdummt.

Fest steht jedenfalls: Man kann den Wert des Internets nicht absolut angeben. Ein Gast der Gespräche, dessen Namen ich leider vergessen habe, dessen Worte mir dagegen deutlich im Gedächtnis geblieben sind, sagte: „Es gibt im Internet nichts, was es in der realen Welt nicht auch gibt.“ Sei es nun Stalking, Mobbing, Kinderpornographie oder der wegen WikiLeaks ausgerufene Cyberwar. Das Internet ist ein Spiegel und gleichzeitig viel mehr. Jeder, der darin mitmischt, verändert die Spiegelung und formt das Bild der Gesellschaft, in der wir leben.

Sein eigenes Spiegelbild im Web 2.0 ist den meisten alltäglich, doch welchen Einfluss die eigenen Einstellungen auf die Gesellschaft haben, ist vielen nicht klar. (Quelle: flickr/ Ijoye27)
Sein eigenes Spiegelbild im Web 2.0 ist den meisten alltäglich, doch welchen Einfluss die eigenen Einstellungen auf die Gesellschaft haben, ist vielen nicht klar. (Quelle: flickr/ Ijoye27)

Das moderne Schlachtfeld ist das Web

Den Beweis dafür kann man in Amerika sehen. Dort, in dem Land, in dem sowohl Terrorgefahr als auch die Angst vor Angriffen am größten ist, werden nun in einem eigens dafür ausgeschriebenen Studiengang Cyberkrieger ausgebildet. Was wie aus einem schlechten Science-Fiction-Roman klingt, soll der Bedrohung durch private und wirtschaftliche Hacks entgegenwirken.

Diese Krieger werden mit einem zweischneidigen Schwert zu kämpfen haben. Schon ihr Name drückt aus, dass sie nicht nur zur Verteidigung ausgebildet werden. Die gute Absicht, die vielleicht hinter dem Studium steht, kann auch in die andere Richtung gelenkt werden. Des einen Gut ist des anderen Böse.

Diplomatie im Umgang mit Belanglosigkeiten

Auch soziale Netze sind ein Abbild der Realität. Schon immer hat man auf der Straße alte Bekannte getroffen und Telefonnummern ausgetauscht. Heute trifft man sie in einem Dschungel aus Bits und Bytes. Wer wurde noch nicht von einem geschwätzigen Kollegen in der Teeküche unterhalten. Jetzt muss man nicht mehr körperlich anwesend sein, um Belanglosigkeiten zu teilen.

Die zeitsparenden Möglichkeiten von Facebook und Co sorgen außerdem dafür, dass sich der Schwätzer den Mund nicht mehr fusselig reden muss. Mit einem einfachen Klick kann er seinem gesamten Freundeskreis vermitteln, dass soeben seine letzte Rolle Klopapier zuende gegangen ist. Und noch viel schöner: Jeder andere kann diesen Teil der weltweiten Kommunikation mit einem einzigen diplomatischen Klick für immer aussperren und die seelige digitale Ruhe genießen.

Wie codiert man Menschlichkeit?

Was bleibt, ist das Fazit. Es gibt kein Allheilmittel, kein „Wir schalten das Internet ab!“, das ist sowieso kaum mehr möglich. Die Zukunft des Internets hängt davon ab, ob wir mündige Bürger sein wollen, die sich auch unbequemen Wahrheiten stellen, oder Stümper, die ihr Unwissen dringend anderen mitteilen wollen, um es zu verbreiten.

Keen erklärte in seinem Vortrag eine Lösung aus der Bredouille: Man möge sich doch nicht an die Technologie anpassen sondern die Technologie an die Bedürfnisse der Menschen. Genau das ist es jedoch, was die Technologie schon immer tut. Sie passt sich an. An uns.

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