The cheapest labour in the world

Hungerlöhne, schlechte Arbeitsbedingungen, mangelnde Hygiene, sexuelle Übergriffe und gravierende Sicherheitslücken prägen den Arbeitsalltag unzähliger Arbeiter(innen) in den bangladeschischen Sweatshops. Die Foto-Aktivistin Taslima Akhter kämpft mit ausdrucksstarken Bildern für die Rechte der „billigsten Arbeitskräfte der Welt“. Entsprechend bildgewaltig fiel auch ihr Beitrag zu den 18. Karlsruher Gesprächen im Februar aus, dessen Zentrum die Menschen hinter den Konsumgütern bildeten. Von Sannah Mattes.

Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Textilproduzent der Welt. Rund 80 Prozent aller Exporte des Landes werden in den zahlreichen Textilfabriken produziert. Doch obwohl seine Wirtschaft stetig wächst, handelt es sich bei dem Entwicklungsland um eines der ärmsten Länder der Welt. Wer hier überleben will, ist gezwungen, sich einem maroden System zu unterwerfen, das Menschenleben gegen Warenwerte aufrechnet und Kinderarbeit als profitsteigernde Notwendigkeit ansieht. Allein im vergangenen Jahr starben im April über Tausend Menschen bei dem Einsturz des Rana Plaza Buildings in der Nähe der Landeshauptstadt Dhaka, in dem neben einer Bank und Geschäften auch mehrere Textilfabriken untergebracht waren. Daneben fordern immer wieder Brandkatastrophen Opfer unter den Textilarbeitern.

Doch es geht um weit mehr als um Zahlen anonymer Opfer. Dies zu verdeutlichen hat sich Taslima Akhter zum Ziel gemacht. Bereits seit einigen Jahren dokumentiert sie den Überlebenskampf der ‚Garment Workers‘ und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Mit ihrer Kamera begibt sie sich auf Spurensuche nach den Schicksalen der Menschen, ihren unerfüllten Träumen, Sehnsüchten und Hoffnungen. Besonders ein Bild der Künstlerin ging um die Welt. Es zeigt ein engumschlungenes Paar in den Trümmern des Rana Plaza Fabrikgebäudes – vereint im Tod.

Als Fotojournalistin will die Künstlerin allerdings nicht gesehen werden. Ihr berühmtestes Bild entwickelte sich zum Selbstläufer, nachdem sie es mit anderen Bildern auf ihrer Facebook-Seite hochgeladen hatte und das Geld, das sie seither mit der Aufnahme einnimmt, spendet sie den Näherinnen. Fotografie ist für sie mehr als ein lukratives Geschäft, es ist politisches Instrument und Medium der Kommunikation, das den Blick für die globalen Missstände öffnet. Die Welt solle hinschauen, das Leid sehen, so Akhter im Interview mit Spiegel-Online.

Sucht man nach den Verantwortlichen für die katastrophalen Bedingungen in den Textilfabriken, wird schnell das gigantische Ausmaß des Problems deutlich, das die korrupte Politik Bangladeschs ebenso einschließt, wie die großen westlichen Modekonzerne und das selbst vor dem privaten Endverbraucher nicht Halt macht. Vor einem Boykott der Textilien ‚Made in Bangladesh‘ warnte Akhter in ihrem Vortrag in Karlsruhe dennoch ausdrücklich, da dieser den Arbeitern in den Fabriken eher schade als nutze und ihnen schlimmstenfalls die Lebensgrundlage nehme.

Eine langfristige Optimierung der Arbeitsverhältnisse lässt sich nur erreichen, indem die Internationalität des Problems (an-)erkannt wird und endlich verbindliche, durchsetzbare und transparente Regelungen in Kraft treten, die die Sicherheit der Arbeitskräfte garantieren und zur Verbesserung der Lebensstandards beitragen. Mit einem nachhaltigen Konzept, das den Arbeitern neben Lohnerhöhungen auch grundlegende Gewerkschaftsrechte einräumt, entstünde zudem eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Denn verbesserte Arbeitsbedingungen „könnten zu einer höheren Produktivität der Wirtschaft Bangladeschs führen sowie zu einem demokratischen Wandel der bangladeschischen Gesellschaft“, schlussfolgerte Akhter in ihrem Vortrag. Nur ein globaler Zusammenschluss garantiert den Zugang zur Demokratie für alle, auch die Fabrikarbeiter.

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Kein Brot, aber Spiele?

Die WM in Brasilien rückt immer näher und die Marketingmaschinerie läuft auf Hochtouren. Heiß, aufregend und bunt soll es werden, das Fußballspektakel in den Tropen. Doch die Wahrheit hinter den klischeehaften Kulissen sieht anders aus. Das sportliche Großereignis führt zu tiefschürfenden Transformationsprozessen, die das Land an seine Grenzen bringen. Am Beispiel Rio de Janeiros gewährte Dr. Dawid Danilo Bartelt, Leiter des Brasilienbüros der Heinrich Böll-Stiftung, den Besuchern der 18. Karlsruher Gespräche einen Einblick in die Realität fernab der Medien. Ein Interview von Sannah Mattes.

Dr. Dawid Danilo Bartelt, Leiter des Brasilienbüros der Heinrich Böll-Stiftung (Bild: ZAK / Felix Grünschloß)
Dr. Dawid Danilo Bartelt, Leiter des Brasilienbüros der Heinrich Böll-Stiftung (Bild: ZAK / Felix Grünschloß)


Audiolink: Sannah Mattes im Interview mit Dr. Dawid Danilo Bartelt

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Wo ist sie hin, die Zeit?

Stunden, Minuten, Sekunden –Zeit ist heute ein Luxusgut. Nach dem Motto Time is Money scheint unsere Gesellschaft nur darauf bedacht, Zeit einzusparen, Zeit effektiv zu nutzen und vor allem keine Zeit zu verlieren. Doch gewinnen wir durch diese immer schneller werdende Lebensart wirklich an Zeit? Oder wird uns die Zeit irgendwann überholen? Sarah Müller kommentiert.

Tick-tack, Tick-tack: die Zeit läuft und wir hinterher (Bild: Dominik Heggemann/ pixelio.de)
Tick-tack, Tick-tack: die Zeit läuft und wir hinterher (Bild: Dominik Heggemann/ pixelio.de)

Der deutsche Soziologe und Beschleunigungstheoretiker Hartmut Rosa von der Universität Jena behauptet in der Wissenschaftsdoku „Beschleunigte Welt“: „Alle relevanten technischen Erfindungen dienen dem Zeitsparen“. In der Arbeit wird der Informationsaustausch durch E-Mail-Verkehr und High Speed Internet unglaublich vereinfacht. Doch gerät man dadurch auch unter Druck immer schneller auf sie zu reagieren. Die ständige Erreichbarkeit verbietet Pausen, sonst gerät der Arbeitsprozess ins Stocken. Burnout kann die Folge sein.

Schnell von A nach B

Beim Reisen ist es ähnlich. Wir wollen so schnell wie möglich von einem Ort zum anderen gelangen und dabei keine Zeit vergeuden. Die Technik ermöglicht die Fahrt mit High Speed Zügen. Mit dem Flugzeug überquert man in kürzester Zeit den Ozean. In Zukunft soll es sogar möglich sein, in 90 Minuten von Europa nach Australien zu fliegen. Doch die Beschleunigung hat Grenzen. Der menschliche Körper hält physisch nicht allen Geschwindigkeiten stand. Deshalb setzen die Innovationen im Transportbereich vor allem auf die Optimierung von Reisezeiten. Die Reduktion der Wartezeit ist die neue Beschleunigung.

Der beschleunigte Alltag

Das Leben scheint sich in allen Bereichen zu beschleunigen. Wir sprechen sogar von Fast Food und Speed Dating. Nicht nur im Arbeits- und Technikbereich, sondern auch im Alltag, bei der Nahrungsaufnahme und bei der Partnersuche wollen wir alles schneller und effizienter. Warten ist dem Menschen ein Graus. Schon bei Jugendlichen ist es ein Muss Mitglied in sozialen Netzwerken zu sein. Um mit anderen mitzuhalten und nicht aus dem sozialen Umfeld ausgegrenzt zu werden, muss regelmäßig der Facebookstatus aktualisiert werden.

Die Zwangsentschleunigung

An der Kasse im Supermarkt Schlange zu stehen, zu warten oder gar offline zu sein, führt beim modernen Menschen zu einem unangenehmen Gefühl. Wir denken, jeden Moment etwas Wichtiges zu verpassen. Wir sind rastlos. Wir wollen nicht stehen bleiben, wir wollen weiter, immer vorwärts. Stillstand ist wohl das größte Übel unserer Zeit. Ungewollte und nicht eingeplante Zeiteinbußen, das Warten, führt zu einer Zwangsentschleunigung. Wir werden gegen unseren Willen ausgebremst und fühlen uns unserer kostbaren Zeit beraubt. Die High Speed Society verspricht, dass alles schneller geht. Doch wir haben durch die Beschleunigung nur Angst, Zeit zu verlieren.

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Schauplatz Syrien: Die Welt versagt

Tiefe Bewegung, schockierte Gesichter und das eine oder andere feuchte Auge gab es beim Symposium der 17. Karlsruher Gespräche als Salam Kawakibi, wissenschaftlicher Direktor der Arab Reform Initiative in Paris seinen Vortrag hielt. Sandra Seltenreich berichtet.

Salam Kawakibi über das Blutvergießen in Syrien (Bild: ZAK)
Salam Kawakibi über das Blutvergießen in Syrien (Bild: ZAK)

Es ist kein Krieg, fängt Kawakibi an, sondern eine Revolution, denn es wird gegen Bürger gekämpft. Friedliche Demonstrationen fordern hunderte Tote. Gewalt ist die einzige Reaktion der Regierung. „Nicht mal Kafka könnte das ausreichen beschreiben“, sagt Kawakibi über die Situation in Syrien.

Die Zahlen sind erschreckend: 90 000 Tote, drei Millionen Vertriebene, eine Million Flüchtlinge, fünfzig Prozent der Infrastruktur des Landes sind zerstört. Das Regime kämpft mit Flugzeugen und Raketen und zerstört Dörfer und Städte. Im Westen heißt es, dies sei ein „russisches Problem“. Kawakibi bezeichnet diese Abwälzung von Verantwortung als widerlich.

Während seines Vortrags präsentiert der Wissenschaftler Werke junger Künstler in Syrien. Diese Bilder machen deutlich, was Menschen dort verarbeiten und verkraften müssen, aber auch, dass sie noch voller Hoffnung sind. Auf den Darstellungen sind öfters Engel zu sehen, die mittels großer Seifenblasen oder mit bloßen Händen Bomben abfangen. Es gibt Flüchtlingslager über dem Friedenstauben schweben oder ein in Rottönen gehaltenes Röntgenbild mit Einschussloch.

Keine Hilfe für Syrien, aber weiterhin Hoffnung

Kawakibi sagt, dass die syrische Regierung zwar Angaben zu Hilfeleistungen macht, dass diese aber nicht zutreffen. Flüchtlinge nimmt nur die Türkei auf. Die Hilfe des Westens läuft nur über die Regierung und diese lässt sie dem Volk nicht zukommen. Kawakibi meint, trotz allem hoffen die Menschen in Syrien immer noch auf Hilfe – wobei sie keinesfalls ein militärisches Eingreifen meinen, sondern es geht ihnen vielmehr um humanitäre Hilfe.

Die Syrer sind kriegsmüde, man könne deshalb von ihnen keine relative Haltung erwarten. Doch sie arbeiten bereits für „den Tag danach“, den Tag, wenn das Töten endet. Aber wie können Themen wie Verfassung, Demokratie, Frauenrechte oder Minderheiten ohne internationale Unterstützung auf die Agenda gesetzt werden?

Schließlich beklagt Kawakibi, dass die Medien nicht darüber berichten, was in Syrien geschieht. Kawakibi unterscheidet dabei klar zwischen Journalist und Medium und sagt, dass die westlichen Journalisten zwar da sind, aber ihre Auftraggeber veröffentlichen die Berichte nicht. Obwohl 70 Prozent des Landes nicht unter dem Regime steht und die Reporter sich frei bewegen können, wollen Medien nur Menschen mit Wunden zeigen und nicht Kinder, Künstler oder die Leute, die sich engagieren. Was fehlt sind politische Nachrichten, denn wenn die Menschen nichts von den Vorgängen in Syrien wissen, stehen die Regierungen auch nicht unter Druck zu helfen.

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Das Spiel der Freiheit

Prof. Volker Demuth ist Essayist, Medienwissenschaftler und arbeitet zurzeit als freier Schriftsteller. In diesem Jahr erschien sein Werk „Stille Leben“. Am 24. Februar war er Gast bei den 17. Karlsruher Gesprächen. Sarah Müller sprach mit ihm über Religion, Moderne und die Gegenwart als neue Zukunft.

Prof. Volker Demuth bei den 17. Karlsruher Gesprächen (Foto: Maren Müller)
Prof. Volker Demuth bei den 17. Karlsruher Gesprächen (Foto: Maren Müller)

„Prof. Demuth, wie geht es Ihnen als Gast der Karlsruher Gesprächen 2013?“

Volker Demuth: „Es ist eine ehrenvolle Aufgabe, hier mit an einer Diskussion teilzunehmen, die ein sehr aktuelles Problem versucht neu zu beschreiben – unter dem Motto ´die Zwischengesellschaft. Tradition und Moderne im Wiederspruch.` Es ist kein neues Thema, aber vielleicht gewinnen wir unter dem Titel neue Aspekte hinzu, die dann vielleicht helfen, die Gegenwart oder die Sicht auf unsere Gegenwart etwas klarer zu machen.“

„Stimmt, das Thema `Moderne und Tradition´ ist kein neues. Aber was genau verstehen Sie unter dem Begriff der Moderne? Und was ist die Zwischengesellschaft?“

Volker Demuth: „Eine mögliche Interpretation beruht auf der Beobachtung von Gesellschaften, die noch in dem Stadium sind, typische Prozesse der Moderne durchzuführen. Da kann man ein paar wichtige Punkte nennen, etwa die Entwicklung eines Rechtsbewusstseins, speziell des Rechts der Freiheit und der entsprechenden Individualrechte wie dem Recht der Meinungsfreiheit. Das Zweite ist, dass wir den Begriff einer für alle verbindliche Wahrheit problematisieren und diese einem Begriff von Wahrheit gegenüberstellen, der auf dem Konzept von Wissen und Wissenschaft beruht. Jenes ist forschend und geht davon aus, dass wir es nicht besitzen, sondern dass wir es irgendwann vielleicht erreichen können. Der Prozess ist nie abgeschlossen: Niemand hat in diesem Bereich die Wahrheit. Viele der alten Systeme beanspruchen die Wahrheit zu besitzen. In einem modernen Konzept löst sich dies jedoch auf. Der dritte Punkt ist, der Bereich der Öffentlichkeit. Hier bekommen auch andere Modernisierungsprozesse ihre Bühne. Hier wird das Spiel der Differenz durchgeführt. Der Prozess der Moderne ist immer unabschließbar und wird immer wieder neu verhandelt werden müssen. Der Begriff der Zwischengesellschaft beschreibt eben das Dazwischenstehen und Neubedenken der Situation, die da ist, und eines vielleicht besseren Entwurfes.“

„Das Spiel der Differenz – meint das auch, dass wir nicht immer alles ganz ernst nehmen müssen?“

Volker Demuth: „Zu diesem Spiel gehört in der Tat ein souveräner Umgang mit unseren Meinungen. Wir dürfen uns ohne weiteres stets selbst die Frage stellen, weil wir immer davon ausgehen müssen, dass wir morgen schon eine andere Sicht von den Dingen haben als noch heute. Das heißt, es entsteht eigentlich ein sehr schöner, kultureller Spielraum: wir führen durchaus Ironie, Polemik, auch eine Art von Theatralik in unsere eigene Lebensführung ein. Wir können ganz unterschiedliche Lebensstile fast zur gleichen Zeit ausagieren. Wir können in einer ironischen Weise, eigene Positionen vertreten und sie dann wiederrum auch in Frage stellen. Das gehört zu der Möglichkeit dieses freien Lebens dazu.“

„Sie meinen mit dem Begriff des Spiels also auch eine Art von Selbstreflexion in der Moderne?“

Volker Demuth: „Richtig. Die Moderne bedenkt sich permanent selbst. Ich glaube, um auf den Begriff der Zwischengesellschaft zurückzukommen, dass wir momentan in der westlichen Kulturrealität dort angelangt sind, wo wir neu bedenken müssen, wie wir dieses Spiel der Differenz aufstellen. Zu diesem modernen Spiel gehörte immer unser Glaube, die Zukunft müsse sich von der Gegenwart abgrenzen und unterscheiden. Daraus hat die Zukunft ihren Glanz gewonnen. Die Faszination, die von der Zukunft ausging und die dann die Gegenwart mit ihrer Kraft versehen hat, ist, glaube ich, verbraucht. Wir alle, wenn man vielleicht etliche Techniker oder Technikwissenschaftler außen vor lässt, sind eigentlich nicht mehr sehr erpicht auf die Zukunft. Wenn man sieht, was uns da versprochen wird, von der Nanotechnologie über die Mensch-Computer-Schnittstellenentwicklung bis hin zu Tissue Engineering: Die Zukunft macht uns nicht wirklich Spaß. Seit gut einem Jahrzehnt reagiert die Kultur darauf. Und jetzt beginnt ein neues Spiel: Nämlich Zwischengesellschaft so zu beschreiben, dass sie gar nicht mehr in die Zukunft will, sondern dass sie immer in diesem Dazwischen bleibt.“

„Die Zwischengesellschaft ist ihrer Meinung nach heutzutage also nicht mehr zukunfts-, sondern gegenwartsbezogen?“

Volker Demuth: „Genau. Die Gegenwart selbst wird als ein Zustand aufgefasst, der von einer Zwischengesellschaft bestimmt wird, die sich auch im Grunde als sehr positiv entwickelt. Ein Indiz dafür könnte sein, dass wir seit einer gewissen Zeit nicht mehr die Avantgarde haben. Das Konzept der Avantgarde ist weitgehend gestorben. Was wir haben sind Retrospektive. Das heißt, wir nehmen die Tradition in das Spiel der Differenz hinein. Wir ziehen Trachten an und gehen aufs Oktoberfest, ohne konservativ zu sein. Wir spielen sozusagen durch rekursive Aufnahmen von Vergangenheitsmöglichkeiten und Gegenwartsmöglichkeiten das Spiel der Zwischengesellschaft.“

„Bei den Karlsruher Gesprächen stand auch das Thema Religion im Programm. Welche Rolle weisen Sie nicht nur der Tradition, sondern der Religion in der Moderne zu? Wie wichtig ist der Glaube in der heutigen Zeit?“

Volker Demuth: „Zunächst einmal ist für mich erstaunlich, dass in diesen drei Tagen hier sehr viel von Religion die Rede war – in einem Maß, das ich schon lange nicht mehr erlebt habe. Das stimmt mich ein Stück weit bedenklich, denn Religion ist immer Teil einer modernen Gesellschaft gewesen. Religion an sich ist noch nie traditionell gewesen und auch überhaupt nicht vormodern. Religion gehört zu jeder Gesellschaft, die sich als modern definiert, und zwar deshalb, weil auch Religion in dem Feld des Spiels der Freiheit seinen akzeptierten Platz hat. Man kann konservativer oder auch aufgeschlossener in seinem Religionsverständnis sein. Insofern sehe ich die Religion immer als einen wichtigen Teil einer Gesellschaft, aber eben auch als etwas, über das wir in einer offenen Weise diskutieren müssen.

„Haben sie eine persönliche Verbindung zur Religion?“

Volker Demuth: „Ja. Ich stamme aus einem süddeutschen, stark christlich-katholischen Elternhaus. Klassischerweise war ich religiös engagiert und habe kurzzeitig auch mal ein Priesterseminar besucht, um die Priesterlaufbahn einzuschlagen Was ich jedoch ganz schnell aufgegeben habe, nachdem ich die Realität dort kennen lernte. Ich habe mich dann dem Studium der Literatur und der Philosophie zugewendet. Hier sah ich auch schnell die Differenz: In der Philosophie versuche ich offen zu denken. Sobald ich innerhalb eines religiösen Systems bin, dann habe ich schon ein geschlossenes Interpretationsmodell vor mir liegen, gegen das ich dann nur noch ein Stück weit angehen, was ich aber nicht vollständig über Bord werfen kann.“

„Zum Abschluss würde ich gerne wissen, wie Ihnen die Karlsruher Gespräche 2013 insgesamt gefallen haben.“

Volker Demuth: „Für mich waren es drei sehr interessante Tage mit vielen Denkanstößen. Es gab viele interessante Vorträge und Diskussionen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass gerade die Fragestellungen der Diskussionsrunden etwas offener gestaltet und nicht auf ein spezielles Thema fixiert gewesen wären.“

„Ich bedanke mich für ihre Zeit!“

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